»de«: Das heißt, Light Fidelity funktioniert nur so lange, wie die datenübermittelnde LED eingeschaltet ist? Das Licht muss immer an sein?
E. Huibers: Prinzipiell richtig, allerdings ist die Übertragung nicht nur mit sichtbarem, sondern auch mit nicht sichtbarem Licht möglich. So kann über Infrarot Light Fidelity genutzt werden, ohne dass das Licht »an« – im Sinne von sichtbar – ist.
»de«: Was passiert, wenn ich z. B. im Großraumbüro den beleuchteten Bereich meiner Lifi-Lampe mit meinem Laptop verlasse, bricht die Verbindung ab?
E. Huibers: Nein, denn wir können eine Lifi-Abdeckung aufbauen, die nicht nur den einzelnen Arbeitsplatz, sondern das ganze Büro umfasst. Selbst wenn man herumläuft bleibt man jederzeit verbunden, so lange man sich in der Lifi-Zone befindet. Alternativ lässt sich eine Kombination aus Netzwerken einrichten: Am eigenen Arbeitsplatz oder im Konferenzraum ist man an das stabile und schnelle Lifi angebunden, sobald man sich aus der definierten Zone heraus bewegt, wechselt man automatisch ins Wifi.
»de«: Wie groß darf die Distanz zwischen der LED als Sender und dem Empfänger maximal sein, um Daten über Licht übertragen zu können?
E. Huibers: Horizontal betrachtet liegt die Reichweite bei ca. 2,5 m, über maximal 3,5 m geht sie nicht hinaus. Hängt die Lifi-Unit direkt über der Person, findet sie in einem diametralen Umkreis von 2,5 m eine Verbindung. Wenn wir ein typisches Bürogebäude mit einer Deckenhöhe von 2,80 m nehmen, hat man damit überall gute Konnektivität.
»de«: Es gibt Überlegungen für den Außeneinsatz von Lifi, z. B. über Straßenlaternen. Bricht dort bei Nebel oder Sonnenaufgang die Verbindung zusammen?
»de«: Welchen Einfluss wird die Verbreitung von 5G auf Lifi nehmen?
E. Huibers: Einen sehr positiven. Denn faktisch kommt es nicht nur auf die letzten Meter der Verbindung zum Nutzer an, sondern ebenfalls auf die Infrastruktur dahinter. Wir erarbeiten zum Beispiel gerade zusammen mit der Firma Vodafone ein Projekt, das Lifi und 5G in einem System koppelt. Es handelt sich zwar um verschiedene Kommunikationsarten, aber sie schließen sich nicht gegenseitig aus.
»de«: Und wie sieht es mit der Datenübertragungsrate bzw. Bandbreite aus, die Lifi im Vergleich zu Übertragungen per Funk bietet?
E. Huibers: Hier dreht sich alles um die Megabits pro Sekunde, die versendet werden können. Wir haben derzeit zwei unterschiedliche Lifi-Systeme. Das eine erzielt 150 Mbit/s und das andere 250 Mbit/s im Up- und Download. Mit Wifi werden 100 Mbit/s bis 150 Mbit/s erreicht.
Doch der größte Unterschied zwischen Lifi und Wifi ist nicht die maximale Übertagungsgeschwindigkeit an sich, sondern dass die Datenrate bei Lifi zuverlässig über den ganzen Tag bereitsteht. Light Fidelity bietet eine sehr starke, stabile Verbindung, während die Leistung von Wireless Fidelity ständig unkalkulierbar beeinflusst wird. So steigt oder sinkt die Wifi-Leistungsfähigkeit je nachdem, wie viele Nutzer aktuell angebunden sind oder ob gerade ein neuer Hotspot errichtet wird oder eine Maschine anläuft.
»de«: Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich daraus beispielsweise für das Smart Home, das Internet der Dinge in der Industrie oder für die vernetzte Fahrzeugkommunikation?
E. Huibers: Generell sind sowohl im Smart Home als auch in der Industrie IoT-Geräte auf dem Vormarsch. Eine Anbindung an das Internet of Things und der Austausch von Daten werden immer selbstverständlicher, die Zahl der vernetzten Geräte wächst rasant. Lifi wird hier eine wichtige Rolle spielen. So beispielsweise in Industrieumgebungen, in denen Funkübertragungen aufgrund der laufenden Prozesse und des verbauten Stahls kaum möglich sind. In Testumgebungen haben wir bereits Maschinen und IoT-Komponenten mit Lifi zum Backbone bzw. Hauptnetz verbunden. Im privaten Umfeld kann Lifi für den Heimarbeitsplatz, für Multimedia oder für Virtual-Reality-Spiele genutzt werden.
Das autonome Fahren setzt intelligente Autos voraus. Diese werden nicht nur Massen an Daten aus ihrer Umgebung sammeln und nutzen, sondern sie werden diese Daten mit anderen Fahrern, Fahrzeugen oder Infrastrukturen teilen. Wenn in zehn oder 15 Jahren die Autos autonom fahren, wird 5G – oder dann vielleicht 6G – wichtig für den Datenaustausch in Echtzeit sein. Die Automobilindustrie hat bereits erkannt, dass eine Funkverbindung zwischen den Fahrzeugen dafür vermutlich nicht ausreichen wird, und Lifi-Technologie hier eine gute Ergänzung bietet. Licht wird beim autonomen Fahren eine große Rolle spielen.
»de«: Und wo steht Light Fidelity, wenn es um die Sicherheit der Datenübertragung geht?
E. Huibers: Ein großer Vorteil ist sicherlich, dass es mit Lifi eine exakt definierte und begrenzte räumliche Zone gibt, in der eine Verbindung aufbaubar ist. Wird eine Light-Fidelity-Lampe in der Decke installiert, ist vorab klar, wo es Konnektivität gibt, und wo nicht. So werden kleine Zellen zur Datenübertragung erzeugt. Wird in Bürogebäuden oder bei Behörden Wifi genutzt, werden die Daten überallhin übertragen, selbst außerhalb des Gebäudes kann man sich noch in das Wifi-Netz einwählen. Bei Lifi können die Daten Wände oder Fensterscheiben nicht durchdringen. So bleiben die Daten physisch auf einen Raum begrenzt ohne ihn zu verlassen. Das macht Lifi einzigartig und besonders sicher.
Wireless Fidelity kommuniziert in 14 verschiedenen Frequenzen. Da heißt, man kann 14 verschiedene Wifi-Verbindungen gleichzeitig aufbauen. In der Realität sind aber häufig weitaus mehr als 14 Nutzer mit 14 Geräten angebunden.
Darüber hinaus gibt es bei der Funkübertragung häufig Interferenzen, ausgelöst beispielsweise durch Drucker oder andere Maschinen. Lifi ist gegen solche Funkstörungen immun.
»de«: Die Idee, Daten per Licht zu übertragen, ist nicht neu. Was war der Anlass für die Firma Signify, jetzt Lifi-fähige Produkte anzubieten?
E. Huibers: Stimmt, das Prinzip kennt jeder aus der Fernbedienung, die schon 1955 erfunden wurde. Sie basiert auf einer Infrarot-Lifi-Einheit, die Informationen zum Beispiel an den Fernseher sendet.
Bisher war trotzdem die Informationsvermittlung über Funkwellen der wichtigste Kommunikationsweg. Doch inzwischen stößt diese an ihre Grenzen und die Kapazitäten sind ausgereizt.
Mit der großflächigen Einführung der LED im Jahre 2009 wuchs die Möglichkeit, Daten über Licht zu senden. Datenkommunikation war schon über die vorherige Beleuchtung möglich, aber nicht in der Geschwindigkeit, wie die LED sie eröffnet. Diese neue Technologie und den vorhandenen Marktbedarf haben wir nun zu praktischen Lösungen kombiniert.
»de«: In welchen Einsatzbereichen wird Lifi denn bereits genutzt?
E. Huibers: Weltweit haben wir rund 100 Projekte, bei denen Lifi eingesetzt wird. In Deutschland haben wir zum Beispiel vor Kurzem den Pressebereich des HSV Volksparkstadions mit einer Datenübertragung per Licht ausgestattet.
Zahlreiche Anwendungen betreffen Orte, an denen viele Menschen gleichzeitig eine schnelle Internetverbindung benötigen, und an denen sich Wifi als nicht ausreichend herausgestellt hat. Ein weiterer Nutzerkreis sind Kunden, die Wifi nicht trauen oder nicht einsetzen wollen. Dazu zählen sicherheitsrelevante Einrichtungen, Banken, Behörden und Krankenhäuser. Ob ich Lifi nutze, ist weniger eine Frage des Budgets als eher eine Frage der Anforderungen.
»de«: Gibt es auch schon Normen zur Installation der neuen Technik?
E. Huibers: Light Fidelity besteht aus elektrischen Bauteilen, die natürlich auch den Regularien der Europäischen Union unterworfen sind. In den USA haben wir zudem bereits die FCC-Lizenz der Federal Communications Commission als Zulassungsbehörde für Kommunikationsgeräte erhalten. In einigen Märkten treffen wir jedoch immer noch auf die Herausforderung, dass Lifi eine recht neue Technologie ist, für die es bisher keine Regeln oder Normen gibt. Aber Lifi ist längst keine Theorie und kein Laborprojekt mehr; es gibt echte Produkte und konkrete Anwendungen.
»de«: Herr Huibers, vielen Dank für das Gespräch.