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Normale Rezession oder Vollbremsung?

Die Entwicklung der Bauwirtschaft in der Corona-Pandemie

Quelle: heinze.de
Quelle: heinze.de

Der Chef des Instituts für Weltwirtschaft Gabriel Felbermayr nannte die bevorstehende Krise die »Mutter aller Rezessionen«, denn wenn sich die Wirtschaftstätigkeit in Deutschland nur einen Monat lang halbiert, kostet das auf das Jahr gesehen vier Prozent Wirtschaftswachstum. Dennoch konnten die Institute auf der Grundlage ihrer Modelle in der Frühjahrsprognose (Mitte März) das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von gut einem Prozent Wachstum rechnerisch nur auf knapp unter null Prozent absenken. Eine Woche später hat man die Prognose verbal revidiert und erwartet nun einen Einbruch des BIP, der zwischen -4,5 % und -8,7 % liegen wird.

Die Heinze Marktforschung hat bereits nach der Prognose der Institute von Mitte März ein eigenes Szenario entworfen. Als Grundlage diente die Entwicklung des BIP in der Finanzkrise (-5,6 %), dem »Vater« aller neuzeitlichen Krisen. Allerdings unterscheidet sich die Entwicklung der Sektoren erheblich. In beiden Krisen treten die größten Verluste im Außenhandel auf. Im Gegensatz zur Finanzkrise wird es aber aktuell auch zu erheblichen Einbußen im privaten Verbrauch und bei den Investitionen kommen, während die Staatsausgaben dramatisch ansteigen. Baugenehmigungen sind keine Aktienkurse und so wird die Bauwirtschaft im Vergleich zu anderen Sektoren mit einem dunkelblauen Auge davonkommen. Real gesehen sind die Auswirkungen vor allem im Bauprozess deutlich schmerzhafter als in der Finanzkrise.

Bauchgefühl oder Faktenanalyse?

Die Meinung der Bauschaffenden ist eine wichtige Information über die aktuelle Stimmungslage. Eine Prognose ist sie nicht. Waren im letzten Herbst viele noch der Meinung, dass der Mehrfamilienhausbau weiter einbricht, so stiegen die Genehmigungen im lV. Quartal 2019 wie von Heinze vorausgesagt um +29 % über die Vorjahreswerte. Aber wie geht es auf der Grundlage der neuen Rahmendaten weiter? Derzeit überschlagen sich die Katastrophenmeldungen – je schlimmer desto richtiger und ein paar Zahlen sind schnell ins Schaufenster gestellt. Nur eine breit angelegte Analyse aller Einflussfaktoren, die deren Zusammenhänge erklärt und darauf Vorhersagen aufbaut, führt zu einem nützlichen Gesamtbild der Lage.

Das erfolgt im aktuellen Baumarktbericht der Heinze Marktforschung. Wie immer steht eine fundierte Analyse der volkswirtschaftlichen Entwicklungen am Beginn. Zudem werden die möglichen Verläufe der Corona-Krise aufgezeigt. Letztlich aber entscheiden sich die Marktforscher für die – ihrer Einschätzung nach – wahrscheinlichste Entwicklung und geben für die Einschätzung des Bauvolumens verschiedene Szenarien vor. Das die Zukunft ungewiss ist, ist auch so klar. Bauwirtschaftliches Spezialwissen und 35 Jahre Erfahrung in der Bauprognostik kommen hinzu, um die Auswirkungen bis in die verschiedenen Marktsegmente der Gebäude- und Baubereiche hinein zu quantifizieren.

Nichtwohnbau wird deutlich stärker getroffen als Wohnungsbau

Danach werden die Genehmigungen im Eigenheimbau mit einer Delle davonkommen. Der Mehrfamilienhausbau hätte unter normalen Umständen im Jahr 2020 um mehr als zehn Prozentpunkte zugelegt, wie die zweistelligen Zuwächse der Genehmigungen zum Jahreswechsel zeigen. Diese werden jedoch zur Mitte des Jahres deutlich einbrechen und sich dann in der zweiten Jahreshälfte wieder erholen. In der Summe wird es bei einer Stabilisierung bleiben. Der Aufschwung des Mehrfamilienhausbaus bleibt im Grunde intakt, denn es fehlt nicht an Nachfrage. Der Förderrahmen ist geklärt und wird von den Akteuren angenommen und bessere Anlagemöglichkeiten sind derzeit Mangelware. Aber die bremsenden Effekte im Genehmigungs- und Bauprozess werden die Gebäudeart trotzdem treffen. Das lässt aber insgesamt auf eine Fortsetzung des Aufschwungs im Jahr 2021 hoffen.

Im Nichtwohnbau sind die Verhältnisse anders. Wer davon ausgeht, dass die Corona-Krise den Abschwung im Nichtwohnbau verursacht, hat die Dynamik des Nichtwohnbaus nicht berücksichtigt. Heinze hat bereits in seiner Mittelfristprognose im Herbst 2019 vorausgesagt, dass der Nichtwohnbau in den Jahren 2020 und 2021 vor einem zyklischen Abschwung steht, der bereits im Jahr 2019 einsetzt und erst 2022 auslaufen wird. Die Frage ist somit, wie die Corona-Krise diese Entwicklung verstärkt und verzerrt. Am stärksten trifft es die wohnähnlichen Betriebsgebäude, die in den letzten fünf Jahren durchschnittlich um zehn Prozent zugelegt haben und mit der Fallhöhe nun ein Problem haben. Der landwirtschaftliche Bau kommt mit den geringsten Blessuren davon, weil er schon im Keller war und die Nahrungsmittelindustrie noch am wenigsten von den Quarantänen betroffen ist.

Eine Karre Sand im Getriebe

Vor allem im Bauprozess und damit in den Fertigstellungen sind die Folgen noch spürbarer. Im Wohnungsbau gehen alle Hoffnungen auf einen Aufschwung im Jahr 2020 verloren. Im Mehrfamilienhausbau ist ab 2021 mit Zuwächsen zu rechnen. In absoluten Wohneinheiten gerechnet, wird das Fertigstellungsvolumen aber auch 2021 deutlich unter den Werten liegen, die ohne die Corona-Krise möglich gewesen wären. Im Wohnungsbau ist ein gewisses Beharrungsvermögen der Genehmigungen zu erkennen. Ein Eigenheimbauer, der sich einmal entschieden hat zu bauen, wird es auch möglichst zu Ende bringen wollen. Im Nichtwohnbau sind die Entscheider eher gezwungen, schnell den Rotstift anzusetzen. So schmilzt der gut angereicherte Bauüberhang in der Sonne Coronas wie Schnee dahin.

 

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