Die 1938 bei der Reichspogromnacht zerstörte Synagoge harrte trotz steigender Gemeindemitgliedszahlen lange ihrer Wiedererbauung. Der Neubau schließt nun diese Lücke. Das Team von Staab Architekten aus Berlin stand vor scheinbar widersprüchliche Aufgabenstellung: sich in zeitgemäßer Architektursprache in die zum UNESCO-Welterbe ernannte Altstadt Regensburgs einzugliedern und die hohen Anforderungen an Sicherheit mit gleichzeitiger Offenheit zu verbinden.
Architektonisch integriertes Licht im Neubau
Der Eingangshof empfängt den Besucher mit einer Installation des Künstlers Tom Kristen. Auf einer vergoldeten Bronzespirale zitiert er Rose Ausländers Gedicht »Gemeinsam«. Seitlich des zurückversetzten Haupteingangs befindet sich die umfangreiche, frei zugängliche Bibliothek mit ihrer verglasten Front.
In den Räumlichkeiten des Neubaus ist die Beleuchtung stets integriert und verborgen. Gut abgeblendete Deckeneinbauleuchten begleiten die Regale der Bibliothek, aber auch die Flure und Schulungsräume. An ausgewählten Stellen sind die Reflektoren der Downlights matt weiß, um parabolische Lichtabbildungen an den Wänden zu vermeiden.
Das Treppenhaus wird von Wandeinbauleuchten mit massiven Glasabdeckungen begleitet. Aus dem ersten Zwischenpodest heraus wird außerdem mittels nach unten und nach oben gerichteter Linearwandfluter die durchlaufende Rückwand des Treppenhauses eingeblendet.
Ein multifunktionaler Gemeindesaal mit Lichtkassetten-Decke
Der im Erdgeschoss angeordnete Gemeindesaal bedient eine Fülle unterschiedlicher Funktionen, von Vorträgen über Lesungen, Feiern, Gemeindeversammlungen bis hin zu Musikveranstaltungen. Die Innenausstattung des Raumes ist somit ganz auf Multifunktionalität und Flexibilität zugeschnitten.
Zugleich war es den Gestaltern wichtig, die Ruhe und Klarheit des Gebäudes auch hier zu bewahren und nicht durch vielfältige, z.B. haustechnische Installationen zu überlagern. Die Lösung war eine Kassettendecke, deren Position und Kontur den darüber liegenden Synagogenraum widerspiegelt. In ihren Hohlräumen nimmt sie Brandmelder, Lautsprecher und Sprinkler auf. Ein weißes Gitter schließt die Kassetten nach unten hin optisch ab – durchlässig für Licht und Luft, jedoch gleichzeitig eine Fläche, die etwaige technische Elemente verbirgt.
Mittig in jeder Kassette befindet sich je eine einfache E27-Fassung mit LED-Retrofit Lampe. Diese Leuchten erzeugen die allgemeine Helligkeit im Raum. Sie geben den vertikalen Flächen der darunter angeordneten Gitterdecke eine weiche Lichtpräsenz. Durch die Addition der Kassetten und ihrer Lichtpunkte entsteht so eine rhythmisch modulierte Lichtdecke, die mit einfachsten Mitteln eine große perspektivische Kraft entfaltet. Der in seiner Größe dennoch eher niedrige Raum wirkt so nie gedrungen, sondern freundlich und einladend.
Um auch Veranstaltungen bedienen zu können, war außerdem die Schaffung einer auf den Bühnenraum ausrichtbaren Lichtkomponente notwendig. Hierfür wurden Punktauslässe bündig in die Gitterdecke integriert. Diese können flexibel Stromschienenstrahler mit optischem Zubehör aufnehmen. Falls diese Option nicht genutzt wird, bleibt die Decke aber glatt.
Spirituelles Herzstück und meditativer Lichtresonanzraum
In der 1. Etage befindet sich der zweigeschossige Synagogenraum mit seiner Empore. Der städtebaulich wirksame Baukörper liegt an der Südost-Ecke des Neubaus und bildet einen massiven Kubus mit einer flachen Holzkuppel. Die spürbare Raumhülle wird durch helle Holzlamellen definiert, die einen Raum im Raum bilden. Dieser ist für die genaue Ost-Ausrichtung leicht zum übrigen Baukörper verdreht. Am Übergang von der Wand zur flachen Holzkuppel befindet sich ein Fensterband, das die Synagoge angenehm mit Tageslicht auflädt. Die Dichte der Lamellen löst sich nach oben hin auf und erzeugt somit trotz der kubischen Raumproportion ein geradezu ätherisches Raumerlebnis, ja sogar den Eindruck eines himmelwärts strebenden sakralen Horts.
Zur Kunstlichtinszenierung ist entlang der inneren Dachkante ein umlaufender, kraftvoller, engstrahlender Streiflichtkanal in 2.700 K vorgesehen. Dieser ist in einer Vertiefung oberhalb des Fensterbandes versteckt und ist in seiner Länge gestückelt, um die sanfte Wölbung der Kuppel störungsfrei nachzuzeichnen. Die Fensterflächen sind auf der Innenseite mittels Punktbedruckung leicht satiniert, um ihrerseits Helligkeit anzunehmen – sei es durch Tageslicht oder den schon beschriebenen Streiflichtkanal. Gleichzeitig ist die Satinierung so leicht, dass Witterungszustände aus dem Innenraum noch ablesbar bleiben.
Diese Anordnung füllt in den Abendstunden den Zwischenraum hinter der Lamellenhülle mit warmtonigem Licht. Die Lamellen zeichnen sich im Schattenriss ab, während der Hohlraum dahinter spürbar wird und die Seitenflächen der Lamellen eine modellierende Helligkeit annehmen.
Das Nutzlicht der Synagoge wird durch Pendelleuchten erzeugt. Diese bilden innerhalb der umlaufenden Emporen-Galerie ein Feld, das die Wölbung der Kuppel in gespiegelter Form nachzeichnet. Die diffusen Zylinder blenden den Raum weich ein, erhellen die Gesichter und Gesangbücher der Gläubigen und erreichen auch den Raum unter der Empore. Die Baldachine der Pendelleuchten sind bündig in die Dachschale eingebaut, um deren sanft gewölbte Form nicht zu stören.
Durch die Wechselwirkung aus gerichteter Lamellenhinterleuchtung und weichem Raumlicht entsteht eine Vielschichtigkeit, die durch die Bespielung der verschiedenen Komponenten die Schaffung unterschiedlicher Stimmungen erlaubt.
Der Thoraschrein ist in der Ostwand der Synagoge eingelassen. Hinter den bündigen Flügeltüren befindet sich, von einem Samtvorhang verdeckt, der eigentliche Thoraschrein mit seinen vergoldeten Schiebetüren. Im samtausgeschlagenen Schrein werden die wertvollen Thorarollen aufbewahrt. Verdeckt montiert am oberen Rand befindet sich hier ein Lichtprofil, das um seine Längsachse gedreht und so auf die Thora ausgerichtet werden kann. So sind die Schriftrollen zugleich angemessen und festlich ins Bild gesetzt.
Mit Ausnahme der Lamellenhinterleuchtung ist die Lichtfarbe in der Synagoge – wie im gesamten Haus – in 3.000 K gehalten. Dies erzeugt eine feine visuelle Wärme, die zugleich frisch und zeitgemäß wirkt.
Additives Licht schafft Charme im Altbau
Während der Neubau mit ruhigen Flächen und integrierten Lösungen besticht, erforderte das erhaltene Bestandsgebäude aus der Gründerzeit mit seiner denkmalgeschützten Gebäudehülle eine andere Herangehensweise. Hier sind alle Beleuchtungselemente aufgebaut oder abgependelt. Auch hier werden verschiedentlich E27-Aufbaufassungen eingesetzt, die mit LED-Retrofit Lampen mit Vintage Glaskolben versehen sind. Diese lehnen sich in zeitgenössischer Weise an den historisierenden Rahmen an und erzeugen eine unaufdringliche, lässige Eleganz.
Zwischen Neubau und Altbau erstreckt sich ein intimer Innenhof. Auch hier binden Aufbauleuchten an die Altbaufassade und Einbau-Orientierungsleuchten an die Neubaufassade an und betonen den kontemplativen Charakter des gepflasterten Hofs.
In seiner Gesamtheit ist das jüdische Gemeindezentrum in Regensburg eine gelungene Einheit aus Bestand und Neubau, aus Tradition und Moderne, aus Geborgenheit und Offenheit. Licht und Architektur gehen hier eine Symbiose ein.
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