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Geist, Gainer oder Looser?

OTDR-Messungen in LWL-Kabeln

Bild 1: Das »FTB1-740C« ist ein einstellbares OTDR, das eine vollständige End-to-End-Link-Charakterisierung zur Fehlerbehebung in CWDM/DWDM Metro-Netzen ermöglicht
Bild 1: Das »FTB1-740C« ist ein einstellbares OTDR, das eine vollständige End-to-End-Link-Charakterisierung zur Fehlerbehebung in CWDM/DWDM Metro-Netzen ermöglicht

(Bild: EXFO/Opternus)

Das OTDR kann als optisches Messinstrument den Lichtleistungsverlust auf einer einzelnen Glasfaser bei verschiedenen Wellenlängen bestimmen. Dabei sendet es kurze Laserpulse in den Kern der Faser und misst darauf die Rückstreuung, auch Backscattering genannt, entlang der gesamten Faser (Bild 1). Die Laufzeit des reflektierten Lichtimpulses gibt Aufschluss über den Fehlerort; die Fehlerart kann aus dem Dämpfungsverlauf des Impulses abgeleitet werden.

Die Genauigkeit der Messung erhöht sich mit der Anzahl der Messpunkte, die das OTDR setzt und mit der Verringerung der Pulsbreite (d. h. der Leuchtdauer des Lasers). Die mögliche Messdistanz vergrößert sich mit zunehmender Dynamik des OTDRs. Die Dynamik »erkauft« man sich jedoch mit größeren Pulsbreiten – dies sind also konkurrierende Parameter.

Faserbrüche und Biegungen erkennen

Ein OTDR ist wie ein optisches Radar. Es erkennt Faserbrüche, Spleiß- und Steckerdämpfungen, Macrobendings (Biegungen), Splitter und Koppler, Punkt-zu-Punkt-Abstände, die Kabelgesamtlänge, die Steckerqualität (ORL) und die Gesamtdämpfung der Strecke. Um das richtige OTDR zu finden, gibt es verschiedene Entscheidungskriterien, die in der Tabelle dargestellt sind.

Tabelle: Entscheidungskriterien für OTDR
Tabelle: Entscheidungskriterien für OTDR

Vor der eigentlichen OTDR-Messung ist dann ein Blick auf die Einstellungen notwendig. OTDRs haben zwar üblicherweise Automatikeinstellungen, die wichtigsten Grundeinstellungen sollten die Anwender jedoch selbst vornehmen. Dies bringt große Vorteile hinsichtlich des Zeitaufwands, bei der Genauigkeit der Anzeige, bei der Genauigkeit der Streckenlänge sowie bei der Anzahl der gefundenen Ereignisse. Zu den Grundeinstellungen, die in dieser Hinsicht besonders beachtet werden sollten, gehören folgende:

  • Messbereich: Der Messbereich sollte immer länger gewählt werden, als Vorlauffaser + Messstrecke + Nachlauffaser. Hinter der Nachlauffaser muss deutlich das Rauschen erkennbar sein – als Beleg für ein eindeutiges Streckenende. Wird der Messbereich zu kurz gewählt, werden alle Streckenteile außerhalb des Messbereichs abgeschnitten und nicht gespeichert. In diesem Fall erscheint keine Fehlermeldung.
  • Brechzahl: Die Brechzahl des Faserkerns ist bei den jeweiligen Fasertypen unterschiedlich und hängt auch von der Wellenlänge ab. Stimmt die Brechzahl nicht, ist die Fehler­lokalisierung ungenau. Ebenso ist der korrekte Rückstreukoeffizient wichtig, um reflektive Ereignisse (Stecker) charakterisieren zu können.
  • Impulsbreite: Je kleiner die Impulsbreite, desto höher ist die Auflösung des OTDRs. In der Praxis bedeutet das, dicht aufeinander folgende Ereignisse unterscheiden zu können. OTDRs von EXFO haben z. B. einen Puls von 3 ns. Die sich daraus ergebende Ereignistotzone beträgt mindestens 0,3 m. Mit der kürzesten Pulsbreite stellt man aber gleichzeitig die geringste Dynamik ein, so dass damit in der Regel nur sehr kurze Strecken bis zum Ende hin charakterisiert werden können. Um das Signal vom Endrauschen unterscheiden zu können, sollte das Ende der NL-Faser immer über der 12-dB-Linie im Raster liegen. Sind auf der Strecke Splitter oder Koppler verbaut, muss mit entsprechend hoher Dynamik gemessen werden. Da sich Auflösung und Reichweite widersprechen, müssen mehrere Messungen durchgeführt werden, um die Strecke komplett darstellen zu können.
  • Mittelungsdauer: Die voreingestellte Messdauer hat ebenfalls Einfluss auf die Genauigkeit des OTDRs. Je länger die voreingestellte Zeit, desto geringer das Rauschen und umso genauer die Dämpfungs- und Reflexionswerte.
  • Wellenlänge: Die zu messenden Wellenlängen sind oft vorgeschrieben. Um Macrobendings erkennen zu können, müssen Sie mit mindestens zwei Wellenlängen messen.
Bild 2: Der »Maxtester 720C« ermöglicht dank »Linear View« und Ereignistabelle eine vereinfachte Fasercharakterisierung, da die Ergebnisse der Messkurve symbolhaft dargestellt werden
Bild 2: Der »Maxtester 720C« ermöglicht dank »Linear View« und Ereignistabelle eine vereinfachte Fasercharakterisierung, da die Ergebnisse der Messkurve symbolhaft dargestellt werden

(Bild: EXFO/Opternus)

Die bestmögliche Auflösung einer OTDR-Messung wird im Allgemeinen durch die notwendige Dynamik bestimmt. Das OTDR im Auto-Modus wählt die Pulsbreite so, dass genügend Energie (= Leistung x Zeit) zur Verfügung steht, um das Faserende zu detektieren. Darunter leidet aber die Ortsauflösung. Während das in Standard-Anwendungen noch hinnehmbar ist, stellt dies in passiven optischen Netzen eine enorme Herausforderung dar. Denn hier treffen hohe Verluste (durch den optischen Splitter) mit kurzen Distanzen (die Ereignisse liegen oftmals nur wenige Meter auseinander) zusammen. Will man die eng beieinanderliegenden Ereignisse im Nahbereich auflösen, benötigt man kurze Impulse.

Interpretation der Messergebnisse

Um die gesamte Strecke zu erfassen, braucht man aber längere Impulse. Folgerichtig müssten mehrere Messungen am gleichen Objekt gemacht und dann manuell »zusammengefügt« werden. Das aber kostet viel Zeit. Hier unterstützen Softwarelösungen wie iOLM (siehe Kasten), die dem OTDR-Gerät helfen, das gesamte Potenzial der Messtechnik auszuschöpfen.

iOLM (intelligent Optical Link Mapper)

Die Softwarelösung iOLM des Anbieters EXFO führt mehrere Messungen am gleichen Objekt vollautomatisch zusammen und misst im Hintergrund zusätzlich über mehrere Wellenlängen. Diese Arbeitsweise liefert schnell alle Details einer Messstrecke und kann so Ungereimtheiten wie z. B. Makrobendings sauber beschreiben.Die Strecke wird in einer schematischen Darstellung visualisiert, die neben der Bewertung der einzelnen Ereignisse im Problemfall direkte Hinweise zur Beseitigung einer möglichen Störung bietet. Erst wenn die komplette Strecke die Vorgaben einhält, erteilt die Analyse ein »Pass«. iOLM liefert dabei nicht nur genaue Analysen in PON-Strukturen, sondern auch im Metro- und Langenstreckenbereich. Die Funktion iLoop (intelligent Loop) ermöglicht dabei eine bidirektionale Charakterisierung zweier Faserstrecken mit 50 % Zeitersparnis. Eine Schleife (Loop) am fernen Ende macht dabei aus zwei Strecken eine.

Steckt man das OTDR am nahen Ende um, so kann man diese neue Gesamt­strecke kostensparend bidirek­tional analysieren. Die iLoop-Funktion bricht die Gesamtstrecke später wieder in einzelne Strecken auf, legt sie entsprechend ab, und erstellt eine Pass-/Fail-­Bewertung. Dies zahlt sich vor allem in Anwendungen aus, die schlecht zugäng­liche Enden haben wie zum Beispiel FTTA (Fiber to the Antenna) oder im LAN-­Bereich (Patchpanels mit vielen kurzen Strecken).

Bild 3: Mit der Softwarelösung iOLM zeigt das optische Messinstrument in diesem Fall einen Fail (nicht bestanden) aufgrund eines Macrobendings an, also einer Faserbiegung
Bild 3: Mit der Softwarelösung iOLM zeigt das optische Messinstrument in diesem Fall einen Fail (nicht bestanden) aufgrund eines Macrobendings an, also einer Faserbiegung

(Bild: EXFO/Opternus)

Ein OTDR zeigt üblicherweise die typische abfallende Kurve mit den verschiedenen Ereignissen, auch Events genannt. Serienmäßig haben die EXFO OTDRs darüber hinaus den so genannten »Linear View«. Dieser stellt die Ereignisse der Messkurve symbolhaft dar (Bild 2). Die Software iOLM erweitert diese Funktionen, denn sie nimmt im Hintergrund diverse Messungen auf, um eine Strecke genau charakterisieren zu können – so wie es auch ein erfahrener Messtechniker täte. Es handelt sich also nicht nur um eine andere Darstellung, sondern um eine Auswertung der Messungen, der unterschiedliche Messvorgänge bei verschiedenen Pulsbreiten, Wellenlängen und Mittelungszeiten zugrunde liegen (Bild 3).

Liegen dann die Messergebnisse vor, ist eine Interpretation der OTDR-Kurven notwendig. Dabei gibt es verschiedene typische Ereignisse, die im Folgenden anhand symbolisierter Beispiele (in einer echten OTDR-Kurve können die Darstellungen in Höhe und Form anders aussehen) aufgeschlüsselt werden:

Bild 4: Reflektives Ereignis –  Einkopplung
Bild 4: Reflektives Ereignis – Einkopplung

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Reflektives Ereignis – Einkoppelung: Um den gesamten Messabschnitt beurteilen zu können, müssen Sie mit Vorlauf- und Nachlauffasern arbeiten (OTDR) oder ein kürzeres Vor- und Nachlauffaser verwenden (iOLM). Am Eingangsstecker des Messgerätes entsteht ein reflektives Ereignis (Bild 4).
Bild 5: Geist – ein scheinbares Ereignis durch Reflexion
Bild 5: Geist – ein scheinbares Ereignis durch Reflexion

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Geist: Scheinbares Ereignis, das durch mindestens eine starke Reflexion auf der Strecke entstehen kann (Echo). Hat keine Einfügedämpfung, kann auch hinter dem eigentlichen Faser­ende liegen (Bild 5).
Bild 6: Reflektives Ereignis –  Stecker
Bild 6: Reflektives Ereignis – Stecker

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Reflektives Ereignis – Stecker: Ein mechanischer Spleiß wird in aller Regel ebenso wie ein Stecker als reflektives Ereignis wahrgenommen. Das liegt am minimalen (Luft-)Spalt zwischen den Faserenden (Bild 6). Generell entstehen Reflexionen an Brechzahlunterschieden (Klassiker: Glas-Luft-Glas-Übergang).
Bild 7: Nicht-reflektives Ereignis wie Fusionsspleiße
Bild 7: Nicht-reflektives Ereignis wie Fusionsspleiße

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Nicht-reflektives Ereignis: Fusionsspleiße sind nicht reflektiv, rufen jedoch eine geringe Dämpfung hervor. In Einzelfällen können auch sehr gute APC-Stecker als nicht-reflektives Ereignis erschienen (Bild 7).
Bild 8: Macrobending, eine Biegung der Faser
Bild 8: Macrobending, eine Biegung der Faser

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Macrobending: Ein Macrobending ist Stress der Faser durch mechanische Beanspruchung oder durch einen Verlegefehler. Macrobends können sehr hohe Dämpfungen hervorrufen. Diese Ereignisse sind nicht-­reflektiv. Nachweis durch Messungen mit mindestens zwei Wellenlängen (Bild 8).
Bild 9: Pseudo-Verstärkung – Gainer
Bild 9: Pseudo-Verstärkung – Gainer

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Pseudo-Verstärkung – Gainer: Zu dem Effekt einer scheinbaren Verstärkung kommt es, wenn zwei Fasern mit unterschiedlichen Brechzahlprofilen, z. B. G.652 und G.657, miteinander verspleißt werden. In dem Fall ist zum Nachweis eine beidseitige Messung erforderlich (Bild 9).
Bild 10: Pseudo-Dämpfung –  Looser
Bild 10: Pseudo-Dämpfung – Looser

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Pseudo-Dämpfung – Looser: Wie der oben beschriebene Gainer kommt auch der Looser (Bild 10) durch unterschiedliche Brechzahlprofile zustande und ist bei der Messung von der Gegenseite aus zu sehen. Das tückische an einem Looser ist, dass er schnell mit einem nicht-reflektiven Ereignis verwechselt werden kann, obwohl eigentlich gar keine Dämpfung vorliegt. Er lässt sich nur durch eine zweiseitige Messung nachweisen, bei der sich Gainer und Looser dann gegenseitig aufheben. Aus diesem Grund sind zweiseitige Messungen oft vorgeschrieben.
Bild 11: Dämpfungstotszone (ADZ), Abstand nach reflektivem Ereignis
Bild 11: Dämpfungstotszone (ADZ), Abstand nach reflektivem Ereignis

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Dämpfungstotszone (ADZ): Als Dämpfungstotzone bezeichnet man den Mindestabstand nach einem reflektiven Ereignis, bevor ein neues Ereignis bezüglich seiner Dämpfung ausgemessen werden kann. Der Abstand steht im Zusammenhang zur Pulsbreite. Je kleiner die Pulsbreite, desto kürzer die ADZ (Bild 11).
Bild 12: Ereignistot­zone (EDZ) – Mindestabstand zweier reflek­tiver Ereignisse
Bild 12: Ereignistot­zone (EDZ) – Mindestabstand zweier reflek­tiver Ereignisse

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Ereignistotzone (EDZ): Als Ereignistot­zone bezeichnet man den Mindestabstand nach einem reflektiven Ereignis, bevor ein neues reflektives Ereignis erkannt werden kann. Man nimmt dabei an, dass das erste Ereignis um 1,5 dB abgefallen sein muss (Bild 12).
Bild 13: Faserende oder Faserbruch mit folgendem Rauschen
Bild 13: Faserende oder Faserbruch mit folgendem Rauschen

(Bild: EXFO/Opternus)

  • Faserende oder Faserbruch: Um das Faser­ende charakterisieren zu können, benötigt man eine Nachlauffaser und ein OTDR mit ausreichender Dynamik. Die erforderliche Dynamik ist abhängig von der Streckenlänge und den Ereignissen, insbesondere Splitter/Koppler haben eine hohe Dämpfung. Danach folgt Rauschen (Bild 13).

Und nicht vergessen: Die akkurate Reinigung und Prüfung aller Stecker ist ein Muss, bevor Sie mit der Messung beginnen.

www.opternus.de

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Hans Joachim Erichsen

Opternus GmbH

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