Arbeitgeber bzw. Führungsverantwortliche sind gefordert zu reagieren, wenn erkennbare Zweifel an der Arbeitsfähigkeit und / oder Fahrtüchtigkeit eines Mitarbeiters bestehen. Ob Bedenken hinsichtlich körperlicher oder psychischer Einschränkungen bestehen oder Suchtprobleme vorliegen, wird allerdings selten thematisiert. Insbesondere die Einnahme von Medikamenten wird gerne als privat deklariert. Medikamente sind vielerorts und nahezu jederzeit verfügbar – ob mit oder ohne Rezept. Ihre Wirkungen und Nebenwirkungen können jedoch gravierenden Einfluss auf die berufliche Tätigkeit haben (Bild 1).
Vorab eine knappe Klärung der Begrifflichkeiten. »Freiverkäuflich« können etwa Nahrungsergänzungsmittel, leichte Erkältungsmittel oder Arzneimittel gegen Magen-Darm-Verstimmungen in Drogerien, Supermärkten oder der Apotheke erworben werden. Der Begriff »apothekenpflichtige« Medikamente meint, derartige Mittel sind nur in Apotheken erhältlich; das soll vor unbedachtem Kauf schützen. Auch sind hier die Apotheker aufgerufen, entsprechende Hinweise zur Einnahme zu geben sowie auf etwaige Nebenwirkungen und Risiken hinzuweisen. »Ohne Rezept« heißt, derartige Mittel müssen nicht vom Arzt verordnet werden, sie zahlt der Patient in voller Höhe selbst. »Mit Rezept«, also verschreibungspflichtig, bedeutet, dass entsprechende Medikamente vom Arzt verordnet werden müssen; sie sollen den Patienten vor leichtfertiger Einnahme bewahren. Ob etwa zu viel, eine zu hohe Dosis, falscher oder zu langer Gebrauch – die Einnahme derartiger Arzneimittel bedarf der Obhut durch einen Arzt.
Für den Kunden oder Patienten bietet sich ein reichhaltiges Sortiment – je nach Mentalität hilfreich, aber keinesfalls ungefährlich. Und nicht jeder hat einen Hausarzt oder Apotheker, der ihn länger kennt. Gerade das Elektrohandwerk erfordert ein hohes Maß an körperlicher und geistiger Fitness. Vollkommen gesund sind nicht alle. Folglich greift jeder mal mehr, mal weniger zu Arzneimitteln. Doch wirksame Arzneimittel sind vielfach nicht nebenwirkungsfrei (einige Pharmakologen sagen »keine Wirkung ohne Nebenwirkung«). Wer auf Baustellen tätig und zudem im Straßenverkehr unterwegs ist, für den heißt das »erhöhte Vorsicht«. Ob kurzzeitige Kopfschmerzen, Erkältungssymptome, andere Befindlichkeitsstörungen oder chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder rheumatische Erkrankungen – sie werden (auch) medikamentös behandelt – damit handelt sich der Mitarbeiter bzw. Patient unerwünschte Nebenwirkungen ein, die Einfluss auf die berufliche Tätigkeit und / oder die Teilnahme im Straßenverkehr haben können.
Medikamente und ihre Risiken
Die folgende Listung von Arzneimittelgruppen ist alphabetisch geordnet und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder bietet gar eine (abschließende) Abwägung. Sie soll für das Thema sensibilisieren. Bei manchen Medikamenten lässt etwa die Konzentration oder das Reaktionsvermögen bei der Arbeit nach. Führt dann jemand vor Ort kritische Tätigkeiten durch, führt Maschinen oder ist im Straßenverkehr unterwegs, ist Ehrlichkeit sich und anderen gegenüber gefordert.
- Antiallergika: Starkes, ggf. anfallartiges Niesen und tränende Augen sind als Symptome einer Allergie hinderlich, besonders bei der Arbeit mit Maschinen oder auf Baustellengerüsten. Sie können Unfälle mitverursachen. Medikamente zur Behandlung von Allergien lindern, senken aber die Konzentration und das Reaktionsvermögen, manche machen müde. Hier gilt es in der Auswahl, gemeinsam mit dem Arzt, Sorgfalt walten zu lassen.
- Antidiabetika: Blutzuckerschwankungen infolge unregelmäßiger Ernährung und /oder Bewegung kennen auch gut eingestellte Diabetiker. Dies stört die Aufmerksamkeit oder führt zu Koordinationsstörungen. Beides kann auch im Straßenverkehr oder beim Führen von Maschinen Unfälle verursachen. Traubenzucker hilft bei Unterzuckerung. Kollegen sollten informiert und im Notfall hilfreich sein.
- Antirheumatika: Klassische Rheumamittel können nach ihrer Einnahme Magen-Darm-Probleme oder Übelkeit bereiten. Entsprechend dem Krankheitsverlauf stehen unterschiedliche Wirkstoffe bereit, die verschiedene Nebenwirkungen aufweisen. Hier ist der Arzt gefragt, die berufliche Tätigkeit und das Krankheitsgeschehen zu berücksichtigen.
- Augentropfen: Sofern beim Augenarzt pupillenerweiternde Augentropfen zur Anwendung kommen, haben Patienten über mehrere Stunden eine stark eingeschränkte Sehschärfeeinbuße und eine unzureichende Hell-Dunkelanpassung. Hier darf kein Auto gefahren und auch keine Arbeit an Maschinen durchgeführt werden.
- Betäubungsmittel: Nicht selten setzt der Zahnarzt lokale Betäubungsmittel ein – sie ermüden und senken die Konzentrationsfähigkeit, teilweise sehr stark und über mehrere Stunden. Keinesfalls sollte nach dieser Behandlung ein Auto gefahren oder Maschinen geführt werden. Zudem können Schmerzen auch längere Zeit nach dem zahnärztlichen Eingriff auftreten.
- Blutdrucksenkende Mittel: Bis ein Patient mit Bluthochdruck eingestellt ist, also zu Beginn einer Therapie oder beim Wechsel eines Blutdrucksenkers, sinkt der Blutdruck stärker als gewünscht. Das Führen von Fahrzeugen oder Maschinen sollte bestenfalls bis zum Erreichen eines stabilen Zielblutdrucks unterbleiben. Hier sollte der Arbeitgeber informiert werden. Als hilfreich erweist sich regelmäßiges Trinken von Wasser, um häufig auftretende Nebenwirkungen wie Schwindel und Kopfschmerzen einzudämmen.
- Grippemittel: Bei Grippemitteln sind oftmals mehrere Wirkstoffe kombiniert: Schmerzmittel sowie solche gegen Niesen und Husten – sie haben einen dämpfenden Einfluss. Manchen Präparaten sind Alkohol zugesetzt und / oder Koffein, siehe Beipackzettel. Beides beeinträchtigt das Konzentrations- und Reaktionsvermögen. Bei einer ausgewachsenen Grippe gehört ein Patient »ins Bett« (Ansteckungsgefahr), bei grippalen Infekten ist das empfehlenswert.
- Schlafmittel: Ein Schlafmittel dient dem Ein- oder Durchschlafen, weswegen nach ihrer Einnahme das Autofahren strikt unterbleiben soll – bei Durchschlafmittel etwa acht Stunden. Zu ihrer Wirkung gehört das Ermüden bzw. Beruhigen, außerdem beeinträchtigen sie die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit. Von einer Dauerbehandlung ist abzuraten (Bild 2).
- Schmerzmittel: Ebenso sollen stärker wirkende Schmerzmittel nicht ununterbrochen eingenommen werden. Schmerz ist oftmals ein Symptom und kann auf dahinter liegende Krankheiten hinweisen. Sie enthalten teilweise Opium-Verbindungen oder Codein. Sedativa wirken dämpfend auf das zentrale Nervensystem und beeinträchtigen die Aufmerksamkeit. Bei starken Schmerzmitteln sollte keinesfalls ein Auto gefahren und / oder am Arbeitsplatz eine Maschine geführt werden (Bild 3).
- Psychopharmaka: Beruhigungsmittel und Antidepressiva gehören zu den Psychopharmaka und wirken beruhigend und / oder dämpfend. Demzufolge setzen sie das Reaktionsvermögen herab. Zum eigenen Schutz und dem anderer sollte das Autofahren eingeschränkt werden, gleiches gilt für das Führen von Maschinen.
- Reisetabletten: Auch Kfz-Fahrer nehmen vor längeren Fahrten gerne Reisetabletten, sie sollen den Magen-Darm-Trakt beruhigen und wirken auf das zentrale Nervensystem. Wer ein Fahrzeug führt, sollte keine solchen Mittel einnehmen oder bei Arzt oder Apotheker um weniger stark beruhigende Mittel nachfragen.
Generell ist älteren, aber auch jüngeren Mitarbeitern von Handwerksbetrieben ein regelmäßiger ärztlicher Checkup anzuraten.
Mehr Sicherheit durch Medikationsplan
Was viele nicht wissen: Immer noch sterben in Deutschland zu viele Menschen durch unerwünschte Wechselwirkungen. Deswegen ist im E-Health-Gesetz geregelt, dass Versicherte, die drei oder mehr Arzneimittel anwenden, seit Oktober 2016 einen Anspruch auf einen Medikationsplan in Papierform haben. Die Regelung gilt nur für solche Arzneimittel, »deren Einnahme über einen Zeitraum von mindestens 28 Tagen erfolgt«. Im Medikationsplan werden alle Arzneimittel, mit Dosierungs- und Einnahmehinweisen, dokumentiert. Besonders chronisch Kranke und ältere Menschen dürften davon profitieren. Das Erstellen und Aktualisieren des Medikationsplans nimmt der Arzt vor, der den Patienten schwerpunktmäßig betreut (Haus- oder Facharzt). Auch Apotheker sollen bei Änderungen der Medikation auf Patientenwunsch hin zur Aktualisierung verpflichtet werden. Seit der zweiten Jahreshälfte 2020 läuft die Speicherung des Medikationsplans auf der Gesundheitskarte (eMP) an, mit Zustimmung des Patienten. Die Anbindung der Apotheken an die Telematikinfrastruktur in Deutschland hat ebenfalls begonnen.
Wem kurz- oder längerfristig Medikamente verordnet werden, sorgt derzeit am besten selbst dafür, dass er eine Liste anlegt (ggf. im Smartphone führen und aktualisieren). Ein Medikationsplan ist nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland sinnvoll.
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