Das deutsche Mess- und Eichgesetz schreibt seit Jahren eine geeichte Energiemessung vor. Hersteller von Ladestationen konnten diese Vorschrift bisher nicht einhalten, da keine geeigneten DC-Energiezähler am Markt verfügbar waren. Zudem müssen diese von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) geprüft und zertifiziert werden. Während für die AC-Energiemessung bereits seit langem zertifizierte Zähler existieren und so eine Integration in Ladestationen für Elektrofahrzeuge in den letzten Jahren möglich wurde, wurden die ersten DC-Zähler erst gegen Ende 2020 zugelassen.
Im Unterschied zu Wechselstromzählern, die der Messgeräterichtlinie der EU (engl. kurz MID), der EN 50470 und der IEC 62053-21 unterliegen, gab es für Gleichstromzähler zusätzlich keine grundlegenden Normen. Entsprechend wurde zunächst durch Fachkreise eine deutsche Anwendungsregel für Messsysteme für Ladeeinrichtungen (VDE-AR-E 2418-3-100) erarbeitet. Die Veröffentlichung der internationalen Norm IEC 62053-41 für DC-Energiezähler ist noch für diesen Sommer geplant.
Ulrich Aschenbroich (Bild oben), Leiter Abteilung Elektromobilität Deutschland bei ABB, erklärt: »In den vergangenen vier Jahren hat unser Team ein tiefes Wissen über diese Vorschriften erworben und viele Umsetzungsdetails gemeinsam mit der PTB und dem deutschen Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik VDE, der die Zertifizierung der Ladestationen von ABB einschließlich der zertifizierten AC- und DC-Zähler durchführt, erarbeitet. Dank dieser fundierten Kenntnisse sind wir Vorreiter in Sachen Eichrechtskonformität und können dem Endnutzer ein hohes Maß an Transparenz und Datensicherheit bieten.«
Neben der zertifizierten Energiemessung erfordert die Eichrechtskonformität auch die sichere Übermittlung der Ladedaten - über den Betreiber der Ladestation (engl. Charge Point Operator, CPO) und den e-Mobility Service Provider (eMSP) - an den Fahrer des E-Fahrzeugs. Diese durchgängige Funktionalität wurde von ABB gemeinsam mit ersten großen deutschen CPO/eMSP geprüft und vom VDE bestätigt.
Da das deutsche Mess- und Eichgesetz auch für bereits in Betrieb genommene Ladesysteme gilt, hat ABB-Nachrüstpakete zur nachträglichen Erlangung der Eichrechtskonformität für oben genannte Typen von Ladestationen sowie einen mobilen Feld-Validierungs-Tester (FVT) entwickelt. Der FVT wurde für Kalibrierung und Prüfung der Messsysteme jeder aufgerüsteten Ladestation im Feld entwickelt und ist als universell einsetzbares Kalibriersystem auch für nicht-ABB-DC-Ladestationen mit CCS-, CHAdeMO- und AC Typ 2-Anschlüssen gedacht.
In enger Zusammenarbeit mit seinen Kunden und ausgewählten Installations- und Servicepartnern bereitet ein ABB-Serviceteam eine große Aufrüstungskampagne für mehr als 2000 in Betrieb befindliche DC-Ladestationen in Deutschland vor. So wird gewährleistet, dass allen Betreibern von ABB-Ladeinfrastruktur ein Angebot zur Nachrüstung für deren in Betrieb befindlichen Ladestationen unterbreitet und eine Umsetzung in realistischen Fristen erfolgen kann.
Auditierung und erste Zertifizierung bei Audi
Die Werksabnahme für neue, ab Fabrik eichrechtskonform ausgestatteteDC-Ladestationen hat der VDE zusammen mit dem kompletten ABB-Testteam am ABB-Standort Terranuova Bracciolini, in Italien durchgeführt. Die Auditierung der Nachrüstung einer in Betrieb befindlichen ABB-Ladestation erfolgte am Audi Zentrum in Kassel. Uwe Jarms, Geschäftsführer des Audi Zentrum Kassel, erläutert: »Unser Anspruch ist es, ein Vorreiter im Bereich der automobilen E-Mobilität zu sein. Deshalb haben wir gerne eine unserer Ladestationen für das Audit der eichrechtskonformen Zählernachrüstung zur Verfügung gestellt.« Die Auditierung wurde vor Ort vom für die Elektroladeinfrastruktur verantwortlichen Planungsingenieur der Glinicke Holding begleitet.
Für die Auditierung verfolgten zwei VDE-Auditoren den Prozess der Nachrüstung im Detail. Vor Ort waren vier ABB-Mitarbeiter beteiligt, zudem waren alle beteiligten ABB-Entwickler digital und remote zugeschaltet, um die Auditierung zu verfolgen und tiefer gehende Spezialfragen zu beantworten. Die ABB-Lösung hat die kritische Prüfung durch den VDE mit sehr guten Ergebnissen bestanden. Durch die vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Beteiligter ist der Zertifizierungsprozess trotz der besonderen Corona-Umstände immer auf Kurs geblieben. Lukas Trautmann, Projektleiter Eichrechtsnachrüstung bei ABB, erklärt: »Die intensiven Audits haben sowohl die ABB-Mitarbeiter als auch unsere Partner bestens auf den Rollout vorbereitet. Damit ist gewährleistet, dass das Ergebnis der Nachrüstung den hohen Qualitätsstandards der ABB im Feld voll entspricht.«
Weitere Nachrüstungen werden gemäß dem bei der Audi-Niederlassung auditierten Musterprozess vorgenommen. Die wesentliche Hardware des nachgerüsteten Eichrechtskits ist der DC-Zähler, der zusammen mit Software und Steuerung das Gesamtpaket ergibt. Bei einer Nachrüstung baut ein Techniker die Hardware ein und nimmt dann ein Update der Station vor. Anschließend wird die nachgerüstete Station mit dem FVT kalibriert und abschließend das Eichsiegel aufgebracht.
Die förmliche Zertifizierung der Nachrüstung der ABB-Ladestationen zur Eichrechtskonformität durch die PTB auf Basis des positiven Audits des VDE erfolgte im Juli 2021. Das erste Eichsiegel wurde am 9. Juli 2021 an der Ladestation am Audi Zentrum Kassel angebracht (Bild links). Dominik Ebling, verantwortlich für Geschäftsentwicklung Elektromobilität bei ABB, ergänzt: »Die erfolgreiche Zertifizierung ist der Startschuss für den bundesweiten Rollout der Nachrüstung. Zudem können auch alle neuen Terra- und HPC- Stationen von ABB ab sofort ab Werk mit der zertifizierten Gesamtlösung geliefert werden. Das heißt, unsere Kunden profitieren vom bestmöglichen Setup.«