Corona-bedingt fanden die Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums bisher weitestgehend digital statt. Entstanden sind u. a. ein Film und ein Buch sowie eine Ausstellung am Stammsitz in Haigerloch – die seit 3. Juli an den Wochenenden geöffnet, aber auch virtuell zu besichtigen ist.
»de«: Herr Schwenk, können Sie einen kurzen Rückblick auf die 100-jährige Geschichte des Unternehmens Theben geben?
P. Schwenk: Wir haben uns anlässlich unseres Jubiläums seit rund zwei Jahren intensiv mit der Geschichte von Theben auseinandergesetzt. Aus meiner Sicht profitiert das Unternehmen davon: Wenn Sie die Vergangenheit verstehen, können Sie die Zukunft gestalten. Denn es gibt immer wieder aktuelle Bezüge, lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Als mein Urgroßvater Paul Schwenk das Unternehmen 1921 gegründet hatte, waren die Zeiten ebenfalls geprägt von Materialknappheit, und mit der 1920 zu Ende gegangenen spanischen Grippe war auch die Erinnerung an eine Pandemie noch präsent. Mein Urgroßvater hatte bereits 1918 einen »Schalter für die Treppenhaus-Beleuchtung« zum Patent angemeldet und machte sich mit dieser Idee 1921 selbstständig, zunächst in der Werkstatt seines Schwiegervaters in Stuttgart. Eine wichtige Rolle im Unternehmen spielt von Anfang an seine Frau Lydia Schwenk. Das Unternehmen wächst und bezieht 1928 eigene Räumlichkeiten, ebenfalls in Stuttgart.
1934 folgt eine Innovation, die Theben bis heute prägt: Paul Schwenk lässt den Treppenhausautomaten »Elpa« patentieren. Im Jahr 1941 verlegt Paul Schwenk den Firmensitz nach Haigerloch, wo wir nach 80 Jahren immer noch unseren Stammsitz haben. Aus der Produktion von Rüstungsgütern hält sich das Unternehmen so weit wie möglich heraus. 1944 stirbt mein Urgroßvater, und mein Großvater Paul Eberhard Schwenk startet aus bescheidenen Anfängen heraus. Mit dem deutschen Wirtschaftswunder wächst auch Theben kontinuierlich. 1976 wechselt Paul Eberhard Schwenk aus der Geschäftsführung in den Aufsichtsrat. Die dritte Generation hatte keine aktive Rolle im Unternehmen eingenommen, doch zum 1.9.2016 habe ich die Rolle des Vorstands bei Theben übernommen.
»de«: Woher stammt bzw. wofür steht eigentlich der Name des Unternehmens?
P. Schwenk: Zu Beginn hieß das Unternehmen nach seinem Gründer »Paul Schwenk«, und »Theben« wurde als Markenname für die ersten Treppenhaus-Zeitschaltuhren genutzt. Mein auch geschichtlich interessierter Urgroßvater wählte diese Bezeichnung vermutlich deshalb, weil in der ehemaligen Hauptstadt Theben des Mittleren Reiches der alten Ägypter u. a. die ersten Sonnenuhren und um 1500 v. Chr. sogar sogenannte Wasserauslaufuhren entwickelt worden waren. Im Jahr 1960 wurde dann das Unternehmen in Theben umbenannt.
»de«: Aus welchem Baujahr stammt das nach Ihrem Kenntnisstand älteste noch im Einsatz befindliche Theben-Produkt?
P. Schwenk: Eine exakte Jahreszahl kann ich nicht nennen, doch immer wieder hören wir von Produkten, die 50, 60 oder auch 70 Jahre im Einsatz waren. Ob es noch ältere gibt, wissen wir nicht definitiv, aber vielleicht stößt ja einer Ihrer Leser auf ein entsprechendes Produkt und meldet sich bei Ihnen? In unserer Ausstellung, die wir hier am Stammsitz anlässlich unseres Jubiläums eröffnet haben, zeigen wir einen der ersten Treppenlichtautomaten »Elpa«. Er funktioniert noch, und wir haben ihn mit einer modernen Sprachsteuerung gekoppelt.
»de«: Zu Ihren Kernsegmenten gehören Zeitschaltuhren, Präsenz- und Bewegungsmelder sowie KNX. Wo sehen Sie die größten Innovationspotenziale?
P. Schwenk: Aus heutiger Sicht sind Zeitschaltuhren ein Produktsegment, in dem es eher um überschaubare Optimierungen geht als um große Innovationssprünge. Nichtsdestotrotz sind sie für uns ein wichtiges Segment, und Innovation kann ja auch so aussehen, dass neue Produktarten klassische Komponenten ersetzen. Im Bereich der Melder sowie der Gebäudeautomation sehen wir aktuell das größere Innovationspotenzial – und zwar sowohl im Bereich der Hardware als auch bei der Software. Ein Beispiel dafür ist unser optischer KNX-Präsenzmelder »thePixa«. Hier haben wir sowohl die Hardware als auch die Software verbessert, so dass der Melder neben seinen klassischen Funktionen auch die Personenanzahl und deren Aufenthaltsort im Raum erkennen kann. Das basiert auf niedrig aufgelösten Bildern und geschieht DSGVO-konform (Dekra-geprüft). Anwendungen gibt es z. B. in Kaufhäusern, wo der Betreiber erkennen kann, bei welchen Auslagen sich Kunden besonders lange aufhalten.
»de«: Welche Rolle spielt das Thema Software und Services heute und in Zukunft?
P. Schwenk: Unser Jubiläum stellen wir unter das Motto »100 Jahre Building Automation«. Denn bereits der erste Treppenlicht-Schalter hat Funktionen im Gebäude gesteuert auf der Basis von Informationen, die von einer Sensorik stammten. Darum geht es im Kern auch noch heute, wobei die von der Sensorik stammenden Daten immer mehr von einer zugehörigen Software verarbeitet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Insgesamt werden dabei die Bedeutung und der Anteil von Software definitiv zunehmen.
»de«: Inwieweit können Software-basierte Services zu einem Geschäftsmodell für das Handwerk werden?
P. Schwenk: Für den Kunden, etwa in einem Smart Home, wird es künftig immer mehr Möglichkeiten geben, auf Basis seiner installierten Hardware-Plattform zusätzliche Features hinzu zu buchen. Offen gesagt könnte es aber schwierig werden, dies über den dreistufigen Vertriebsweg so abzubilden, dass auch der Handwerker vor Ort davon profitieren kann. Hinzu kommt, dass viele dieser Service-Anbieter nicht aus der Elektrobranche kommen und direkt auf den Endkunden zugehen.
»de«: Den Smart-Home-Markt unterhalb der KNX-Welt adressieren viele Hersteller mit proprietären, häufig funkbasierten Systemen. Sie gehen mit »Luxor Living«, einer abgespeckten KNX-Variante, einen anderen Weg. Warum?
P. Schwenk: »Luxor Living« ist zwar als verdrahtetes System gestartet, doch inzwischen bieten wir auch diverse Funk-UP-Aktoren an, u. a. für Schalten, Dimmen, Jalousie oder Heizung. Insofern decken wir sowohl den Neubau-Markt als auch die Renovation ab. Und was die Standards betrifft, haben wir ganz bewusst auf KNX gesetzt. Denn das Thema Investitionssicherheit spielt für den Kunden eine wichtige Rolle, und die ist bei KNX definitiv gegeben. Außerdem sind wir nicht so vermessen, als mittelständisches Unternehmen für jede Anwendung im Smart Home eine eigene Lösung anbieten zu wollen. Bei KNX kann der Kunde aus rund 500 Herstellern wählen, und dürfte so für jede Anwendung auch eine Lösung finden.
»de«: Ein vergleichsweise junges Geschäftsfeld für Theben ist das Thema Smart Metering. Die zugehörigen Produkte vermarkten Sie als »Lösungen für Stadtwerke, Netz- und Vertriebsgesellschaften«. Sie adressieren hier also nicht das Handwerk?
P. Schwenk: Das Handwerk tauscht zwar in der Regel die Zähler aus, bezieht das Produkt aber nicht selbst – das machen z. B. die Stadtwerke. Dennoch gibt es hier Anknüpfungspunkte für das E-Handwerk, denken Sie etwa an das weite Feld des Energiemanagements, etwa der dezentralen Energieerzeugung durch eine PV-Anlage in Kombination mit einem Energiespeicher und / oder Elektromobilität.
»de«: Vor kurzem hat Theben die Markenrechte von Grässlin übernommen. Welche Pläne haben Sie damit?
P. Schwenk: Grässlin hat ja als Marke nach wie vor einen guten Ruf im Markt. Mit der Übernahme wollten wir einerseits verhindern, dass marktfremde Investoren sich der Marke bemächtigen und damit eventuell Dinge anstellen, die nicht im Interesse der
E-Branche sind. Andererseits passt Grässlin auch gut als Abrundung nach unten zu uns. Bekannte Grässlin-Produkte wie die – auch weiterhin in Deutschland gefertigten – Zeitschaltuhren »talento smart« werden wir weiterhin über den Elektrogroßhandel vertreiben.
»de«: Aktuell kämpft das Elektrohandwerk mit Lieferschwierigkeiten und / oder kurzfristigen Preiserhöhungen seitens der Hersteller bzw. des Großhandels. Wie beurteilen Sie die Situation allgemein und bezogen auf Ihr Unternehmen?
P. Schwenk: Wie viele andere sind auch wir davon betroffen. Bestimmte Bauteile sind zum Teil gar nicht zu bekommen oder haben Lieferzeiten von einem Jahr und mehr. Eine langfristige Prognose kann ich aktuell nicht treffen, wir fahren auf Sicht. Sollte sich die Situation nicht entspannen, kann es auch bei uns zu der ein oder anderen Lieferverzögerung kommen, wir wollen aber auf jeden Fall gewährleisten, dass unser Kernsegment durchgängig lieferbar bleibt. Dabei werden wir aber nicht darum herumkommen, unsere Preise anzupassen.
»de«: Ist das aktuelle Angebotsspektrum von Theben aus Ihrer Sicht »rund«, oder sehen Sie Potenzial für Ergänzungen?
P. Schwenk: Stand heute sehe ich uns ganz gut aufgestellt, wir haben auch eine Reihe passender Themen in unserer Entwicklung. Aber natürlich dürfen Sie als Unternehmen nie stehenbleiben. So wollen wir auch in Zukunft weiter organisch wachsen, schließen aber auch weitere Zukäufe nicht aus, sofern sie uns ein Stück nach vorne bringen.
»de«: Der Konzentrationsprozess auf Seiten der Hersteller nimmt stetig zu. Soll Theben ein unabhängiges Unternehmen bleiben?
P. Schwenk: Wir wollen auch langfristig unabhängig bleiben und auf eigenen Füßen stehen. Zugebenermaßen ist dies nicht immer einfach, zwischen Generalisten auf der einen und branchenfremden, dynamischen Newcomern auf der anderen Seite seine Position zu behaupten und weiter auszubauen. Doch ich bin zuversichtlich, dass uns das auch in den nächsten 100 Jahren gelingen wird.
»de«: Herr Schwenk, vielen Dank für das Gespräch.
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