Der Gastvortrag im Rahmen der Frühjahrstagung des Fachverbands NRW kam von Prof. Dr. Uwe Kanning und hatte den Titel „Mitarbeiter finden und binden – Was kann, was soll, was muss?“ Dabei räumte er mit zehn Mythen rund um das Thema Personal auf:
Erstes Thema: Personalmarketing
Mythos 1: Je mehr Bewerber, desto besser.
Wichtig ist nicht, wie viele Personen sich insgesamt bewerben, sondern wie viele Bewerber davon für den Beruf geeignet sind. Doch wie bekommt man die richtigen Bewerber? Einerseits muss man sein Unternehmen attraktiv darstellen, aber man sollte durchaus auch formulieren, welche Anforderungen und Ansprüche man an die Bewerber stellt, um ungeeignete Bewerber „abzuschrecken“.
Mythos 2: Bewerber interessieren sich mehr für Werte als für Fakten.
Alle Studien dazu zeigen, dass die Attraktivität eines Arbeitgebers nach wie vor stark von den harten, konkreten Faktoren abhängt. Eine Umfrage unter Azubis hat als das mit Abstand wichtigste Kriterium für die Entscheidung für einen Arbeitgeber ergeben: Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.
Mythos 3: Personalmarketing ist Werbung.
Die Stellenanzeigen sollen vor allem Glaubwürdigkeit vermitteln, nicht den Betrieb als etwas darstellen, das er nicht ist.
Zweites Thema: Personalauswahl
Mythos 4: Nur erfahrene Bewerber sind gute Bewerber.
Studien zeigen, dass sich die Leistungsfähigkeit von neuen Mitarbeitern nur zu 7% von deren vorheriger Berufserfahrung abhängt. Je komplexer die Aufgaben, desto wichtiger wird Berufserfahrung – das gilt auch umgekehrt. Wichtig sind nicht in erster Linie die Jahre der Berufserfahrung, sondern deren Vielfalt.
Mythos 5: Gute Bewerber erkennt man von allein.
Wenn man in den Einstellungsgesprächen den Bewerbern unterschiedliche Fragen stellt – je nachdem, wie deren bisheriger Werdegang war bzw. wo es Knackpunkte gibt – entsteht keine objektive Vergleichbarkeit. Man sollte sich vorher überlegen, anhand welcher Fragen man vermeintlich „weiche“ Faktoren wie Kundenorientierung, Teamfähigkeit oder Führungseigenschaften beurteilt – und stellt dazu allen die gleichen Fragen. Man sollte also nicht anhand seines Bauchgefühls entscheiden.
Mythos 6: Bewerber sollen in Watte gepackt werden.
Studien zeigen, dass Bewerber ein Stellenangebot nur zu 33% anhand der Merkmale des Jobs selbst bzw. des Arbeitgebers annehmen, zu 28% anhand der Erfahrungen im Auswahlprozess, aber auch 28% anhand der Leistungsmöglichkeit im Unternehmen – gute Bewerber wollen das auch zeigen.
Mythos 7: Intelligenztests haben nichts mit dem Leben zu tun
Kommt z.T. bei Großunternehmen in der Azubis-Auswahl zum Einsatz, sagt aber in der Tat mehr über die spätere berufliche Leistungsfähigkeit aus als z.B. das Bewerber-Interview.
Drittes Thema: Personalbindung
Mythos 8: Alte Mitarbeiter interessieren sich nur für Geld, junge nur für Freizeit.
Nach Studien unterscheiden sich die Generationen hinsichtlich der Kriterien, warum sie eine bestimmte Tätigkeit ausüben (wollen), nur marginal. Eine Gesellschaft verändert sich fließend, und das betrifft dann aber alle Altersgruppen.
Mythos 9: Alle jungen Mitarbeiter interessieren sich für dasselbe.
Auch in der älteren Generation ticken nicht alle gleich – das gilt genauso für die jüngeren Leute.
Mythos 10: Mit einer neuen Duz-Kultur wird alles besser.
Wenn man Arbeitnehmer befragt, was sie sich wünschen, möchte die große Mehrheit keine vom Arbeitgeber vorgegebene Sie/Du-Kultur, sondern entscheidet lieber selbst. Auch das Duzen in Stellenanzeigen ist zwiespältig: Das Image des Arbeitgebers erscheint zwar Mitarbeiter-orientierter, aber auch weniger leistungsorientiert.
Der Referent Prof. Kanning betreibt einen eigenen Youtube-Kanal, in dem er in einer Reihe von 15-min-Videos aktuelle Inahlte rund um das Thema Personal erläutert.