»2023 ist für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie insgesamt recht ordentlich gewesen«, bilanziert ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel das vergangene Jahr im Rahmen der ZVEI-Jahresauftaktpressekonferenz. »Zum dritten Mal in Folge konnte die reale, preisbereinigte Produktion gesteigert werden – auf Basis der Zahlen bis einschließlich November um 1,4 %.« Damit habe sich die Branche in einem schwierigen Umfeld als robust erwiesen. »Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Unternehmen noch historisch hohe Auftragsbestände abarbeiten konnten, als die Neubestellungen spätestens ab dem zweiten Quartal bereits zurückgingen.« Die nominalen Erlöse der Branche erreichten im vergangenen Jahr mit 242 Milliarden Euro erneut eine Rekordmarke (+ 8 %).
Abermals hat sich die Branche uneinheitlich entwickelt. Den stärksten Produktionszuwachs verzeichneten Batterien (+ 7 %), gefolgt von elektronischen Bauelementen (+ 6 %), Energietechnik (+ 4 %) und Automation (+ 3 %). Die Gebrauchsgüter dagegen verzeichneten einen deutlichen Rückgang (- 13 %). »Erfreulich ist, dass bei der Beschäftigung nochmals zugelegt werden konnte«, sagt Kegel. Allein in Deutschland beschäftigte die Branche zuletzt 910.000 Menschen (+ 12.000 gegenüber 2022).
Starke Exportorientierung
Die Elektro- und Digitalindustrie ist so global aufgestellt wie kaum eine andere Branche. Auch 2023 konnten die Ausfuhren (einschließlich der Re-Exporte) nochmals gesteigert werden, und zwar um vier Prozent auf 256 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte – 133 Milliarden Euro – verblieb in der Europäischen Union. »Angesichts wachsender geopolitscher Spannungen wird der europäische Binnenmarkt immer wichtiger«, erklärt der ZVEI-Präsident. »Will die EU zwischen den USA und China weiterhin eine eigenständige Rolle einnehmen, muss sie den Binnenmarkt konsequenter auf Wachstum ausrichten und von industriefremder Regulierung wie dem EU-Lieferkettengesetz ablassen.«
Die nächste EU-Kommission müsse die Regulierungswut stoppen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schwäche. »Wir brauchen jetzt eine Europäische Union, die industrielle Wertschöpfung in den Fokus stellt«, fordert Kegel. Einem »Dexit« erteilt der ZVEI-Präsident eine klare Absage: »Wer meint, dass Deutschland auf sich allein gestellt besser fahren könnte, offenbart gefährliche wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit.«
Angesichts des aktuell schwierigen konjunkturellen Umfelds mit Inflation, vergleichsweise noch hohen Zinsen und hohen Energiepreisen zeigt sich der ZVEI für 2024 zurückhaltend. Kegel: »Die Branche steht vor einer Wachstumsdelle. Auf Jahressicht erwarten wir, dass die reale Produktion um zwei Prozent nachgeben wird.«
Dass die Unternehmen der Elektro- und Digitalindustrie weiterhin fest zum Industriestandort Deutschland und Europa stehen, zeigt eine aktuelle ZVEI-Mitgliederbefragung. Vier von fünf Unternehmen geben an, vorzugsweise im eigenen Land investieren zu wollen. Für mehr als die Hälfte ist Europa, aber – gleichauf – auch China ein attraktiver Investitionsstandort.
Insgesamt wollen 60 % der Unternehmen ihre Investitionstätigkeit weltweit erhöhen, obwohl alle Firmen die aktuelle geopolitische und politische Lage als unsicher bewerten. »Die Unternehmen wollen weiter die Chancen nutzen, die sich in dieser Phase der industriellen Transformation ergeben«, erklärt Kegel und verweist darauf, dass die großen Trends Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung weiterhin intakt seien. »Als einzige große Branche des Verarbeitenden Gewerbes ist die reale Produktion bei uns heute höher als vor Corona.«
Schlüsseltechnologien in Ökosystemen stärken
Auch die Aufwendungen der Elektro- und Digitalindustrie für Forschung und Entwicklung (22,1 Mrd. €) und Investitionen (9 Mrd. €) sind auf Rekordniveau und oberhalb des Vor-Corona-Niveaus. Viele von den jährlich angemeldeten mehr als 13.000 Patenten zahlen auf die drei Megatrends ein. »Unsere Branche ist bei Patenten für grüne Technologien gut aufgestellt, sieht sich aber immer stärkerer Konkurrenz aus China ausgesetzt«, sagt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. »Industriepolitisch genießt ‚Green Tech‘ in China höchste Wertschätzung und wird vom Staat stark gefördert.«
In einer immer stärker von geopolitischen Erwägungen geprägten Welt müssten sich Europa und Deutschland auf ein raueres wirtschaftspolitisches Klima einstellen. Von der EU fordert der ZVEI mehr Mut und eine insgesamt deutlich innovationsoffenere Haltung. »Unser Eindruck ist, dass die EU aktuell beim Einsatz von künstlicher Intelligenz vor allem regulatorisch vorprescht und dabei viel zu wenig präzise ist. Die vorliegende KI-Verordnung droht so zu einer massiven Innovationsbremse zu werden, die mit unnötigen bürokratischen Kosten und einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit für die Industrie einhergeht.«
Positiv bewertet der Verband, dass die EU zur Stärkung ihrer technologischen Souveränität die strategische Bedeutung von Schlüsseltechnologien herausstellt. Es sei wichtig, stärker in Ökosystemen zu handeln. »Eine leistungsstarke Chipindustrie etwa braucht Verbindungstechnik und Elektronikfertigung«, so Weber. Der Weltmarktanteil dieser Technologien ist seit 2000 stark zurückgegangen und beträgt bei der Verbindungstechnik nur noch drei Prozent. »Es bestehen mittlerweile zu große Abhängigkeiten. Die Produktion solcher Komponenten muss als förderfähig unter dem ‚Net-Zero Industry Act‘ eingestuft werden.«
Deutschland muss ein weltoffenes Land bleiben
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie tritt für Demokratie und eine liberale, offene Gesellschaft ein. Rassismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, jede Facette rechter Ideologie lehnt der ZVEI entschieden ab. In rechtsextremen Strömungen erkennt er die größte Gefahr für die demokratische Grundordnung, die Freiheit und das Ansehen Deutschlands in der Welt. Kegel: »Rechtsextremistische Parteien schaden dem Wirtschaftsstandort und damit dem Wohlstand.«