Home Elektroinstallation Brandschutz Kabelanlagen mit Funktionserhalt

Essenzielle Sicherheit durch extra sorgfältige Befestigung

Kabelanlagen mit Funktionserhalt

Bild 1: Bei Normtragekonstruktionen mit Rinnen oder Leitern ist eine zusätzliche Abhängung durch Gewindestangen im Bereich der Auslegerspitze verpflichtend
Bild 1: Bei Normtragekonstruktionen mit Rinnen oder Leitern ist eine zusätzliche Abhängung durch Gewindestangen im Bereich der Auslegerspitze verpflichtend
(Bild: PohlCon)

Die Musterbauordnung definiert die Brandsicherheit von Gebäuden und vor allem den Schutz von Menschenleben als zentrales Schutzziel. Daher ist es nur konsequent, dass es eine spezielle Muster-Richtlinie für brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie/MLAR) im baulichen Brandschutz gibt. Herausgegeben von der Bauministerkonferenz, gibt diese unter anderem vor, dass elektrische Leitungsanlagen für bauordnungsrechtlich vorgeschriebene sicherheitstechnische Anlagen so beschaffen oder durch Bauteile abgetrennt sein müssen, dass sie im Brandfall ausreichend lang funktionsfähig bleiben (Funktionserhalt).

Als Leitungsanlage gilt die Gesamtheit der Kabel selbst sowie Anschluss-, Mess- und Steuereinrichtungen, Netzgeräte und nicht zuletzt die zugehörigen Beschichtungen und Bekleidungen, Verbindungselemente, Tragevorrichtungen und Halterungen. Von einem erfolgreichen Funktionserhalt wird dann gesprochen, wenn in der Kabelanlage bei einer Brandprüfung kein Kurzschluss und keine Unterbrechung des Stromflusses in den geprüften elektrischen Kabelanlagen auftritt.

Differenzierungen durch die MLAR

Die MLAR spezifiziert im weiteren Verlauf, was genau unter einem ausreichenden Zeitraum zu verstehen ist: Für Sicherheitsbeleuchtungsanlagen, Alarmierungsanlagen, die durch mehrere Brandabschnitte verlaufen, Brandmelde- und zugehörige Übertragungsanlagen, natürliche Rauchabzugsanlagen sowie Personenaufzüge mit Brandfallsteuerung muss der Funktionserhalt mindestens 30 min gewährleistet sein.

Ein Funktionserhalt von mindestens 90 min ist hingegen für automatische Feuerlöschanlagen und Wasserdruckerhöhungsanlagen zur Löschwasserversorgung, maschinelle Rauchabzugs- und Druckbelüftungsanlagen in Hochhäusern und einigen Sonderbauten, Feuerwehraufzügen sowie Bettenaufzügen in Krankenhäusern und anderen entsprechenden baulichen Anlagen vorgeschrieben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Funktionserhaltsklasse E30 für alle elek-trischen Anlagen gefordert wird, die zur Evakuierung von Menschen und Tieren aus einem brennenden Gebäude benötigt werden. Die Funktionserhaltsklasse E90 hingegen ist maßgeblich für die Ermöglichung und Unterstützung der Brandbekämpfung durch die Feuerwehr.

Die MLAR legt außerdem dar, wie der Funktionserhalt von Leitungen gewährleistet wird. Die Richtlinie nennt dafür zum einen die Verlegung im Erdreich. Eine zweite Möglichkeit stellt die Verlegung auf Rohdecken dar, wenn der darüberliegende Fußboden-estrich eine Dicke von mindestens 30 mm aufweist. Allerdings ist es naheliegend, dass beide Varianten nicht in jedem Fall praktikabel oder überhaupt umsetzbar sind. Deshalb steht Planern als dritte Möglichkeit die Konstruktion einer Kabelanlage mit Funktionserhalt zur Verfügung – geprüft nach DIN 4102-12.

Bild 2: Drei Varianten systemgeprüfter Tragekonstruktionen für unterschiedliche Anforderungen
Bild 2: Drei Varianten systemgeprüfter Tragekonstruktionen für unterschiedliche Anforderungen
(Bild: PohlCon)

Genormte Standard-Tragkonstruktionen

Im Januar 1991 vorgelegt, beschreibt Teil 12 der DIN 4102 die Anforderungen, Prüfungen und Maßnahmen zur Erzielung des Funktionserhalts von elektrischen Kabelanlagen im Brandfall. Diese Norm ermöglicht eine praxisgerechte Prüfung einer kompletten Kabelanlage unter realistischen Bedingungen. Seit 1998 definiert eine überarbeitete Fassung unterschiedliche Standard-Tragkonstruktionen mit dem Ziel, eine Übertragbarkeit der Prüfung und Abnahme zu erreichen (Bilder 1 bis 3).

Die Norm listet insgesamt vier Varianten auf, die je nach Einsatzbereich verwendet werden. Kabel, die auf Leitern oder Rinnen verlegt werden, benötigen eine Tragekonstruktion mit einem maximalen Unterstützungsabstand von 1,2 m. Dies erfolgt über Hängestiele mit angeschraubten Auslegern und zusätzlicher Abhängung im Bereich der Auslegerspitze durch Gewindestangen (Bild 1). Bei Kabelrinnen darf die maximale Breite 300 mm betragen, wobei die Kabellast auf 10 kg/m begrenzt ist. Die Verwendung von Kabelleitern als Normtragekonstruktion erlaubt eine Breite von bis zu 400 mm und ein Gewicht von bis zu 20 kg/m.

Für die Verwendung von Kabelschellen sind zwei Varianten vorgesehen: Eine Einzelverlegung in Bügelschelle ohne Langwanne sowie eine mit Langwanne. Bei ersterer ist ein Schellenabstand von 300 mm vorgeschrieben. Bei der Nutzung der Bügelschelle mit Langwanne, die zwingend 200 mm lang sein müssen, beträgt der Schellenabstand 600 mm.

Bild 3: Bei der horizontalen Verlegung der Sicherheitskabel in Bügelschelle ist auf die abrutschsichere Befestigung der Bügelschellen zu achten
Bild 3: Bei der horizontalen Verlegung der Sicherheitskabel in Bügelschelle ist auf die abrutschsichere Befestigung der Bügelschellen zu achten
(Bild: PohlCon)

Systemgeprüft für mehr Flexibilität

Ein Vorteil der Normtragekonstruktionen besteht darin, dass die Kabelanlagen einfach mit Produkten verschiedener Hersteller zusammengestellt werden können. Unter Berücksichtigung eines Allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses (AbP) der Kabelanlage können alle Kabel mit Funktionserhalt genutzt werden, die für die jeweilige Ausführung zugelassen sind. Jedoch führen die eingeschränkte Belastbarkeit und die Konstruktionsweise zu einem deutlich höheren Montageaufwand. Daher setzen Planer vermehrt auf systemgeprüfte Tragkonstruktionen – Kabelanlagen, die auf Basis von DIN 4102-12 mit definierten Abweichungen geprüft sind (Bild 2).

Es ist wichtig zu beachten, dass sich die Prüfungen immer auf eine feste Kombination von Kabel und Tragkonstruktion beziehen, wie im AbP beschrieben. Unter Berücksichtigung dieser spezifischen Verbindung können dann beispielsweise Stützabstände von bis zu 1,5 m sowie eine maximale Kabellast von 30 kg/m realisiert werden. Auf eine vordere Abhängung kann ebenfalls verzichtet werden, was eine deutlich einfachere nachträgliche Installation weiterer Kabel ermöglicht. Systemgeprüfte Tragkonstruktionen mit Lösungen von PohlCon und Kabelherstellern wie Dätwyler bieten eine große Vielfalt an geprüften Abweichungen, wie etwa die Bündelverlegung in Bügelschellen.

Horizontale Verlegung

Grundsätzlich werden die Prüfergebnisse der horizontalen Verlegearten in Bügelschelle auch auf die Installation an der Wand übertragen, was den Einsatz von Steigetrassen ermöglicht. Bei der horizontalen Verlegung der Sicherheitskabel in Bügelschelle ist hier im Besonderen auf die abrutschsichere Befestigung der Bügelschellen zu achten. Dies ist notwendig, da sich der Außendurchmesser der Kabel im Brandfall verringert und diese deshalb ohne Sicherheitsmaßnahmen abrutschen würden (Bild 3).

Bei Steigetrassen gilt die Klassifizierung nur, wenn eine »wirksame Unterstützungs-Maßnahme« (WUM) in Abständen von maximal 3500 mm erfolgt. Diese WUM kann wiederum in drei Varianten ausgeführt werden.

Bild 4: Kabelabschottungen in Deckenöffnungen als wirksame Unterstützungsmaßnahme beschränken die maximale Geschosshöhe auf 3,5 m
Bild 4: Kabelabschottungen in Deckenöffnungen als wirksame Unterstützungsmaßnahme beschränken die maximale Geschosshöhe auf 3,5 m

(Bild: PohlCon)

Zum einen ermöglicht die DIN 4102-12 die Zugentlastung durch Schlaufen. Die Kabel verlaufen also nicht durchgehend senkrecht, sondern werden im Höchstabstand von 3,5 m durch waagerecht verlegte Abschnitte mit Abrutschsicherung ergänzt. Deren Mindestlänge beträgt inklusive Befestigungen 0,3 m /300 mm, wobei bei der Installation zusätzlich die zulässigen Biegeradien der Kabel berücksichtigt werden müssen. Im Brandfall legen sich die Kabel auf den Seiten der Schellenkörper ab.

Eine zweite Variante ergibt sich durch den Einsatz von zugelassenen Kabelabschottungen in Deckenöffnungen, wobei die Geschosshöhe aufgrund der beschriebenen Anforderungen an WUM bei dieser Variante naturgemäß auf 3,5 m begrenzt wird (Bild 4). Das Gewicht des Kabels wird im Brandfall von der direkt über dem Boden befindlichen Schellenreihe abgefangen, da diese aufgrund der Schottfunktion kalt bleibt.

Als dritte, vergleichsweise unkomplizierte Lösung haben sich allerdings Kästen aus nicht brennbarem Material mit integrierter Kabelabschottung bewährt, die direkt über einer Schellenreihe montiert werden. Die wirksame Unterstützung durch nachgewiesene Schellenausbildung macht das aufwendige Schlaufenlegen der Kabel überflüssig und stellt außerdem keine Beschränkung für die maximale Geschosshöhe dar. Da die Schellenreihe im Kasten aus nicht brennbarem Material im Brandfall kühl bleibt und ein Durchreißen so wirkungsvoll verhindert wird, ähnelt das Wirkprinzip dennoch dem der Kabelabschottungen. Die Lösung ist für alle Steigetrassen universell einsetzbar und auch für Einzelschellen mit senkrechter Kabelführung zugelassen.

Baukonstruktive Gegebenheiten

Ebenso wichtig für den Funktionserhalt wie die Beschaffenheit der Leitungsanlagen selbst sind die umgebenden baulichen Strukturen. So müssen Kabeltragkonstruktionen an Massivwänden aus Mauerwerk (nach DIN 1053-1 bis -4), Beton bzw. Stahlbeton (DIN 1045) oder Porenbeton-Bauplatten nach DIN 4166 befestigt werden. Ebenfalls möglich ist die Montage an Decken aus Beton, Stahlbeton oder Porenbeton gemäß DIN 4223, deren Feuerwiderstandsklasse nach DIN 4102-2 mindestens der Funktionserhaltsklasse der entsprechenden Kabelanlage mit integriertem Funktionserhalt entspricht. Hängende Steigetrassen ermöglichen die senkrechte Kabelverlegung zum Beispiel vor F-klassifizierten Trockenbauwänden.

Für die verwendeten Dübel gilt unter anderem, dass sie den Angaben gültiger allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassungen des Deutschen Instituts für Bautechnik oder gleichwertig (z. B. ETA) entsprechen und für den Feuerwiderstand unter Brandeinwirkung klassifiziert sind. Außerdem ist darauf zu achten, dass die Kabelanlagen mit integriertem Funktionserhalt durch herabstürzende Bauteile nicht negativ beeinträchtigt werden können.

Schlussendlich obliegt es dem Installationsunternehmen, das die Kabelanlage herstellt, gegenüber dem Auftraggeber eine schriftliche Übereinstimmungserklärung auszustellen. Hiermit bescheinigt es, dass die ausgeführte Anlage den Bestimmungen des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses entspricht. Damit einher geht auch die abschließende Empfehlung, bei nicht wesentlichen Abweichungen im Rahmen der Ausführung im Zweifelsfall frühzeitig Sachverständige bzw. eine anerkannte Prüfstelle hinzuzuziehen.

Bild 5: Bei Unterdecken in notwendigen Fluren muss auf einen ausreichenden Abstand zwischen Kabeltragsystem und darunterliegender eingezogener, F-klassifizierter Zwischendecke geachtet werden.
Bild 5: Bei Unterdecken in notwendigen Fluren muss auf einen ausreichenden Abstand zwischen Kabeltragsystem und darunterliegender eingezogener, F-klassifizierter Zwischendecke geachtet werden.
(Bild: PohlCon)

Zwischendeckeninstallation für notwendige Fluchtwege

Bei Unterdecken in notwendigen Fluren (Flucht- und Rettungswegen) gemäß MLAR 3.5.3 muss in jedem Fall auf einen ausreichenden Abstand zwischen Kabeltragsystem und darunterliegender eingezogener F-klassifizierter Zwischendecke geachtet werden (Bild 5). Dieser ist notwendig, um die Zwischendecke im Brandfall nicht negativ zu beeinflussen. Entsprechende minimale Abstände sind z. B. aus Prüfberichten oder einschlägigen Kommentaren zur MLAR zum Thema Zwischendeckeninstallation zu entnehmen. 

Brandschutztage 2024

Um sich dem komplexen Thema des Funktionserhalts im Brandfall auch aus einer ganz praxisnahen Perspektive zu nähern, bietet PohlCon mit Unterstützung des Partners Dätwyler IT Infra 2024 in verschiedenen Städten die Brandschutztage an: Fachleute aus den Bereichen Bau- und Architektenrecht kommen hier ebenso zu Wort wie Prüfsachverständige und die Expert*innen der beteiligten Unternehmen. Detailliert geht es auf den Tagesveranstaltungen um die Planung unter Berücksichtigung vorhandener baulicher Rahmenbedingungen sowie die Herausforderungen während und nach der Ausführung. Anmeldungen für die Brandschutztage in Berlin (24. September) sowie München (7. November) sind möglich unter pohlcon.com/brandschutztage. Ein entsprechendes Zertifikat wird den Teilnehmenden am Ende der Veranstaltung ausgehändigt.

Über den Autor
Autorenbild
Erik Vogler

Leitung Technik und Produktentwicklung Ausbau / Kabelführung , PohlCon GmbH, Berlin

Newsletter

Das Neueste von
elektro.net direkt in Ihren Posteingang!