Seit Jahren liegt der Anteil der Frauen auf dem Arbeitsmarkt in der Elektro- und Informationstechnik bei nur acht bis neun Prozent und ist damit sogar noch geringer als der Frauenanteil unter den Studenten. Dr. Michael Schanz, Leiter des VDE-Fachausschusses Studium, Beruf und Gesellschaft: »Das zeigt, dass das Problem noch viel größer ist, da viele Studentinnen offenbar gar nicht in den heimischen Arbeitsmarkt kommen. Bei ausländischen Absolventen ist der Frauenanteil deutlich höher, aber viele entscheiden sich nach dem Studium nicht für Deutschland als Arbeitsort.« Besonders virulent wird das Problem in Zeiten eines steigenden Bedarfs an Ingenieurinnen und Ingenieuren, die unter anderem für viele technologische Entwicklungen dringend gebraucht werden. »Wir können aktuell auf keinen klugen Kopf verzichten, und zahlreiche erfolgreiche Karrieren zeigen, dass Frauen sehr gut in Elektrotechnik sind – wenn man sie ermutigt«, erklärt Prof. Kira Kastell, Vorsitzende des Fachbereichstag Elektrotechnik und Informationstechnik (FBTEI).
Elektrotechnik: Männerdomäne, Herablassung und Selbstzweifel
Um zu ergründen, welche Assoziationen Frauen mit Elektrotechnik haben und wo Maßnahmen für ein positiveres Image ansetzen müssen, hat der VDE gemeinsam mit dem Fakultätentag für Elektrotechnik und Informationstechnik (FTEI) und dem FBTEI im Rahmen einer Studienreihe auch dieses Thema untersucht. Leiterin der Studienreihe ist Medienwissenschaftlerin Dr. Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI): »Mädchen sehen in der Elektrotechnik eine klassische Männerdomäne und gehen davon aus, nicht ernstgenommen oder sogar niedergemacht zu werden.« Auch hätten junge Frauen Angst, sie könnten den Anforderungen nicht genügen oder Schaden anrichten. Repräsentativ befragt wurden 658 Schülerinnen und Schüler, die kurz vor dem Schulabschluss stehen. Zudem wurden 50 Fallstudien mit High-Potential-Schülern gemacht, jeweils die Hälfte waren weiblich.
Imagewandel für die Elektrotechnik
Generell gilt, dass für junge Menschen kurz vor dem Schulabschluss die Elektrotechnik nicht zu den Disziplinen gehört, die faszinieren. Hauptproblem, so ermittelte es bereits die im Rahmen der Studienreihe realisierte Imagestudie, ist ein falsches Bild vom Berufsleben als Elektroingenieurs. Gebückte Haltung, Kabel verlegen, im Blaumann arbeiten – diese wenig attraktiven Vorstellungen kursieren in den Köpfen und stehen der Suche nach einer kreativen, sinnhaften Beschäftigung entgegen. Außerdem gibt es zwar ein umfangreiches Studienangebot, Interessierte haben aber keinen Überblick und eine Orientierung oder Beratung fehlt oft. »Wir brauchen eine klare Kommunikation zu Berufsbildern, Studiengängen und Studieninhalten, um die Elektrotechnik attraktiver zu machen.«, sagt Schanz.
Vorbilder, verstärkte Werbung und neue Arbeitszeitmodelle
Um verstärkt Frauen für ein Studium zu gewinnen, braucht es nach Ansicht von Prof. Kira Kastell Vorbilder, die zeigen, was im Beruf steckt: »Idealerweise natürlich Frauen, die ihren Weg erfolgreich gegangen sind und aufzeigen, dass Elektrotechnik eine Fachrichtung ist, die stark im Kontext der Nachhaltigkeit steht und viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet.« Neben Vorbildern soll gezielte Werbung um junge Mädchen helfen, Elektrotechnik als möglichen Weg attraktiv zu machen. Dazu zählen die bereits etablierten Girls‘Days. Das allein reiche aber nicht, sagt Dr. Maya Götz: »Wir brauchen Veranstaltungen für Mädchen mit Schwerpunkt Elektrotechnik. Bei Pilotveranstaltungen haben wir Stationen, an denen E-Technik-Studentinnen mit Schülerinnen Lösungen für eine Aufgabenstellung erarbeiten. Das ist sehr wirksam, denn danach konnten sich 50 % der Mädchen vorstellen, das Fach zu studieren.« Nicht zuletzt müsse man Stereotype durchbrechen und Ängste nehmen, damit eine freie Entscheidung getroffen werden könne.
Über die Studienreihe
Es wurden insgesamt vier Themenbereiche untersucht. Band 4 zum Thema Frauen und Elektrotechnik ist ab sofort kostenlos zum Download erhältlich, ebenso wie ersten drei Bände zu Image, Berufsfindung und Studienabbruch.