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ZVEI-Kolloquium: Künstliche Intelligenz in der Gebäudeautomation

Zukunftsplanung und Anomalie-Detektion mit KI

Gebäudeautomation KI
Sie bestritten die Diskussionsrunde am Abend der Wissenschaft des ZVEI-Kolloquiums Gebäudeautomation 2024 (von links): Robert Fochler (Schneider Electric), Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch (TU Dresden), Prof. Dr.-Ing. Michael Arndt (TH Mittelhessen), Martin Hardenfels (Wago), Dipl.-Ing. Jörg Deitermann (Hermes Systeme), Dr. Maximilian Both (Entendix) und Hajo Deul (ZVEI)
(Bild: Redaktion »de« / Kalscheuer)

Der einführende Abend der Wissenschaft fasste nach der Begrüßung durch Hajo Deul (ZVEI) nicht nur die Entwicklung aktueller Studiengänge rund um Elektro- und Informationstechnik zusammen, die sich mit Smart Buildings, Smart Homes, dem Internet of Things (IoT) und Nachhaltigkeit in der Gebäudeautomation (GA) befassen.

Auswertungen vom Mini-Gewächshaus

Hier wurden auch aktuelle Forschungsthemen und Lernplattformen für Automatisierung wie ein Mini-Gewächshausmit Wachstumsmonitoring vorgestellt – im gezeigten Beispiel für Basilikum. Anhand eines digitalen Zwillings und einer 3D-Kamera konnten im von Prof. Dr.-Ing. Michael Arndt (TH Mittelhessen) vorgestellten Projekt die Auswirkungen von Beleuchtung, Bewässerung und Temperaturregulierung auf das Pflanzenwachstum ausgewertet und optimiert werden.

Themen wie Problem Based Learning mit AutoCAD als Planungstool, Verfahren zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäudeautomationsfunktionen sowie die dynamische Sollwert-Optimierung durch gelerntes Nutzerverhalten bei Wärmepumpen (wo eine automatische Erhöhung der Stopp-Temperatur zu 6,6 % Energieeinsparung führen kann) wurden ebenfalls aufgegriffen. 

Kaffeemaschine wird zum Notfall-Indikator

Anschließend wurde die Frage erörtert, wie aus der Forschung gewonnene Erkenntnisse schnell in den Wirtschaftskreislauf einfließen können. Erstes Fazit: Die Lösungsanbieter sollten den Praktikern besser zuhören. Neben Wartungsstrategien für Luftfilter, Prognosenerstellung zur vollen Ausnutzung von Restlaufzeiten und Simulatoren für Anlagentests stellte Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch (TU Dresden) auch Ansätze des Maschinellen Lernens für die Gebäudeautomation vor. Neben vorgefertigten Software-Bausteinen können hier Muster- und Unterscheidungserkennung unterstützen.

Bei Assistenzsystemen für ältere Menschen könnten nicht nur Smart Meter (wie im Herzschrittmacher eingebaute Sensoren) bei Gefahr automatisch einen Notruf absetzen. Sondern als Sensor genutzte Zähler könnten auch anhand des individuellen Stromverbrauchs Verhaltensmodelle oder Bewegungsprofile der Menschen im Gebäude oder der Wohnung erlernen. So können Abweichungen im gewohnten Verhalten – wenn also nicht die Kaffeemaschinen zur gewohnten Zeit angeschaltet oder der übliche morgendliche Wasserverbrauch erfasst wird – als Anomalien erkannt und als möglicher Notfall erkannt werden.

Die Automatisierung der Automatisierung

Das Thema informationsorientierte Gebäudeautomation griff anschließend Michael Krüttgen (TH Köln) auf. So genannte »Self-x-Systeme« sollen zukünftig für die Automatisierung der Automatisierung sorgen. Das heißt, hier wird die Leistungsfähigkeit der Gebäude bzw. ihrer Lüftungsanlagen, Wärmepumpen oder Ventile automatisiert bewertet – und im Idealfall optimiert. Krüttgen stellte in diesem Rahmen das Forschungsprojekt »Opt GA 4.0« vor, das eine Optimierung von Engineering-Prozessen für kommunale Gebäudeautomation zum Ziel hat.

In der anschließenden Talk-Runde wurde deutlich, dass am Ende immer noch der Mensch die Verantwortung für die Künstliche Intelligenz trägt. Und dass KI-Geschäftsmodelle in der Gebäudeautomation nur erfolgreich sein können, wenn man das Konkurrenzdenken hinter sich lässt, und mit gemeinsamen, interoperablen Standards eine breite Nutzerschaft erschließt, statt eine weitere Aufsplitterung des Marktes durch isolierte Insellösungen in Kauf zu nehmen.

Der Stoff, aus dem KI besteht: Daten

Den zweiten Veranstaltungstag startete Adalbert Neumann (Busch-Jaeger Elektro und Vorsitzender der ZVEI-Fachabteilung Gebäudeautomation) mit der Frage, warum – und wie – KI den Gebäudeautomations-Markt beeinflussen wird. Da zwischen 20 % und 40 % der CO2-Emissionen auf Gebäude und deren Betrieb entfallen, gibt es hier ein großes Einsparpotenzial durch zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten durch KI. So kann Künstliche Intelligenz den Energieverbrauch im Supermarkt optimieren, mehr Komfort und Personalisierung (z.B. durch die Kombination mit Gesichtserkennung) bieten, günstigste Energietarife im Netz ermitteln und die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) übernehmen. »Daten sind der Stoff, aus dem KI besteht«, fasste Neumann zusammen. So könne man z.B. durch die automatische Analyse großer Datensammlungen bis zu 20 % der Wartungskosten reduzieren.

Künstliche Intelligenz – ein neuer Hut?

ZVEI_Gebäudeautomation KI
Die Talk-Gäste zum Thema KI in der Gebäudeautomation (v. l.): Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch, Dipl.-Ing. Hans-Joachim Langels (KNX Deutschland), Dr. Christian Temath und Martin Hardenfels

(Bild: Redaktion »de« / Kalscheuer)

Dass Künstliche Intelligenz eigentlich keine moderne Entwicklung ist, sondern schon vor 70 Jahren mit intelligenten Maschinen auftauchte, zeigte Dr. Christian Temath (KI.NRW) in seinem Vortrag. Er machte auch klar: »KI ist da, um zu bleiben. Und die Entwicklung der generativen KI ist rasant.« Wenn Maschinen Wahrscheinlichkeiten aus Bilddaten erlernen können und Klassifizierungen (guter Betriebszustand) vornehmen können, sei der nächste Schritt, einer KI logische Schlussfolgerungen beizubringen. Ein Mehrwert entsteht seiner Einschätzung nach auch dort, wo die KI aus Texten CAD-Zeichnungen generieren kann, autonomes Arbeiten fördert, Bestellmengen optimiert oder durch Simulationen mit Digitalen Zwillingen Ressourcen einspart.

Die Anwendung von KI-Sprachmodellen für den transparenten Betrieb gebäudetechnischer Anlagen war Thema des gemeinsamen Vortrags von Michael Krüttgen (TH Köln) und Dr. Maximilian Both (Entendix). Sie warfen einen Blick auf die Optimierung von Bestandsanlagen, wo 25 % des Energieverbrauchs von Gebäuden durch eine angepasste Reglersteuerung eingespart werden können. Auch hier lautete das Fazit: Für energieeffiziente Planung und Betrieb sind einheitliche Modellierung und Homogenisierung von Betriebsdaten notwendig. Der KI fällt darüber hinaus die Aufgabe der Datenaufbereitung zu.

Durch Mustererkennung Fehlerursachen finden

Prof. Dr.-Ing. habil. Klausch Kabitzsch (TU Dresden) gab anschließend einen Ausblick auf einen KI-basierten Planungsentwurf der Gebäudeautomation und das »auteras«-Tool, das eine GA-Planungssoftware ist. Künstliche Intelligenz kann dabei monotone Fließaufgaben übernehmen und anhand der Mustererkennung in langen Messreihen dabei unterstützen, anhand offensichtlicher Fehlerwirkungen in Anlagen die Fehlerursachen zu finden, um so z.B. die gesetzlich vorgeschriebene Inspektion zu unterstützen. 

Die Detektion von Anomalien in einem Gebäude mithilfe von KI stand auch im Zentrum der Keynote von Prof. Dr.-Ing. Lena Altherr (FH Aachen). Sie erläuterte, wie Anomalien von Verbrauchsdaten kategorisiert und analysiert werden können, wie wichtig die Berücksichtigung des Kontextes und der Umfelddaten (Außentemperatur, Wochentag) dabei ist, und wie sich Punkt-Anomalien von kontextuellen und kollektiven Anomalien unterscheiden. Als Ergebnis könnten schlecht parametrierte Regelungen optimiert, unerwünschte Betriebszustände erkannt und die Effizienz gesteigert werden.

Mehrwert durch selbstlernenden Datenaustausch

Welche Chancen und Potenziale für den Installateur durch die Verknüpfung von Energiemanagement und Gebäudeautomation entstehen, zeigte Jeanne Forget (Hager) auf. Während Energiemanagementsysteme bisher starr und unabhängig von den individuellen Bedürfnissen der Benutzer agieren, müsse die Entwicklung hin zu KI-assistierten Verknüpfungen mit Gebäudeautomation gehen, die sich an das Nutzerverhalten und die Lebendbedingungen anpassen könnten. Nur der intelligente Datenaustausch zwischen GA und Energiemanagementsystemen biete echten Mehrwert, so die Einschätzung von Frau Forget.

Während die Beratung, Planung und Erstinstallation noch weiterhin traditionell durch Fachkräfte erfolgt, könne die gesamte Komplexität der Betriebsdatenanalyse zukünftig nur noch durch selbstlernende Systeme abgebildet werden. So sei auch eine höhere Individualisierung und ein besserer Service durch KI bei Fehlererkennung und Optimierung möglich. Auch Jeanne Forget gab zu bedenken, dass die Voraussetzungen für die KI-Nutzung einheitliche Datenstrukturen, geräteübergreifende Interoperabilität durch Nutzung von Standards und eine Offenheit der Systeme seien.

Dezentralisierung – aber bitte DSGVO-konform

Michael Jüdiges (wibutler) rückte die KI-gestützte GA durch globale IoT-Plattformen in den Fokus. Dabei führt eine Internetkonnektivität aller Geräte und Sensoren dazu, dass Automationsaufgaben dezentralisiert werden und mehrere lokale Geräte gemeinsam ein KI-Modell trainieren (Federated Learning). Dabei liegen die Rohdaten konform zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) lokal vor, und nur Modell-Updates werden an die Zentrale gesendet. Als Beispiel kann hier das Secai-Forschungsprojekt herangezogen werden, das Heizen mit einem Edge-Cloud-basierten KI-Modell ermöglicht.

Dass dabei die Integrität von Daten und der Schutz vor Kompromittierung der IT-Systeme ein wesentlicher Faktor ist, beschrieb abschließend Jens Neureither (Cassini). Denn trotz aller Cloud-Dienste, Apps und Geräteschnittstellen ist die Cybersecurity KI-gestützter Gebäudeautomation die Basis ihrer breiten Akzeptanz in der Gesellschaft.

Über die Autorin
Autorenbild
Britta Kalscheuer

Redaktion »de«

Über die Firma
ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V.
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