Moderator Thomas Bürkle, Präsident des Fachverbands Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg und Vorsitzender des Eltefa-Messebeirats, hob in seiner Einführung die vielen Veränderungen im Elektromarkt hervor, die Digitalisierung und Elektromobilität mit sich bringen. Nicht nur im Raum Stuttgart gewinne Elektromobilität immer mehr an Bedeutung. Für das E-Handwerk ergäben sich daraus Auftragspotenziale in den Marktsegmenten Smart Home und Smart Building.
Elektromobilität braucht Ladeinfrastruktur
Andreas Bettermann, Vorsitzender des Fachverbands Elektroinstallationssysteme im ZVEI räumt jedoch ein: »Elektrofahrzeuge sind zurzeit noch Ladenhüter.« Auch wenn das Ziel der Bundesregierung offiziell noch stehe, bis 2020 eine Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen zu haben, erscheine diese Zahl derzeit nicht realistisch. Die Zahl der Neuzulassungen lag 2016 mit rund 11.400 Fahrzeugen knapp unter dem Vorjahreswert. Der Verbraucher orientiere sich beim Kauf noch an den Eigenschaften seines bisherigen Fahrzeugs, mit dem er über weite Strecken ohne nachzutanken fahren konnte. Deshalb setze sich der ZVEI dafür ein, eine öffentliche Ladeinfrastruktur vorzuhalten. Der Grundstein dafür sei deutschlandweit mit etwa 10.000 Ladesäulen und 1.000 Schnell-Ladestationen gelegt. »Die zentrale Herausforderung wird sein, Stationen zu entwickeln, die schnelle Ladezyklen und damit kurze Belegungszeiten haben«, ergänzte Dr. Christian Koof, Hauptgeschäftsführer des CDH-Wirtschaftsverbands für Vertrieb.
Großhändler haben noch keine Alternative zum Diesel
Thomas Bürkle betonte, dass Elektromobilität gerade im Raum Stuttgart an Bedeutung gewinnt, weil es ab 2018 an Feinstaubalarmtagen Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge gibt, die die Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen. Für Christian Koof »kommt das Fahrverbot einem Berufsverbot gleich, und es stellt eine soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit dar.« Man müsse zwischen Nah- und Fernverkehr zu differenzieren. Im Grundsatz solle der Nahverkehr größtmöglich mit E-Mobilitätskonzepten abgewickelt werden. Ein Beispiel hierfür sei die Deutsche Post, die bereits in Bochum, Köln, Stuttgart und Hamburg mit den elektrisch betriebenen Street-Scootern Pakete ausliefert. Rainer Rommel, Vorstandsmitglied des Bundesverbands des Elektro-Großhandels (VEG), bemängelte die plötzliche Beschränkung bei der Auswahl der Fahrzeuge durch den Gesetzgeber, zumal dies ohne Klarheit und Leitplanken geschehe. Bei Nutzfahrzeugen sei die Ausgangssituation eine andere, als bei PKW. Die Ladungen seien sehr schwer, manchmal sehr groß und sind teilweise sehr lang. Bis heute gebe es keine E-Lösung für die benötigte Nutzlast in Kombination mit Reichweite und Kofferaufbauten. Von diesen Problemen abgesehen sei die Elektromobilität aber ein spannendes Thema für den Großhandel.
Hausinstallation als Grundlage für Elektromobilität
Thomas Bürkle weist darauf hin, dass 80 % aller Ladestationen für E-Fahrzeuge im privaten und halböffentlichen Bereich benötigt werden – und das sei schließlich die Domäne des Elektroinstallateurs und seiner Lieferanten. Zwar sei die Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Ladebox standardisiert, aber nicht in jedem Haus könne ohne Weiteres ein E-Mobil geladen werden. Daher gewinne die Hausinstallation als Grundlage für Elektromobilität immer mehr an Bedeutung. Ulrich Bettermann gibt allerdings zu bedenken, dass die Elektroinstallationen in den meisten Bestandsgebäuden nicht für einen hohen Dauerstrom, wie er beim Laden eines Elektrofahrzeugs auftritt, ausgelegt seien. Dies belege eine Studie, die sein Verband vor anderthalb Jahren veröffentlicht hat. »Im Extremfall ist die Sicherheit der Hausbewohner nicht mehr gewährleistet« warnt Bettermann. Im Gegensatz zu gewerblich genutzten Anlagen gebe es für Wohngebäude keine rechtlichen Anforderungen, die Gebäudeinstallation auf ihre Sicherheit hin zu prüfen. Christian Koof sieht ein großes Marktpotenzial für neue Ladeinfrastruktur und neue, innovative Geschäftsmodelle, die durch Hausinstallationen für Elektromobilität getrieben werden. Was bislang fehle, sei die Ladeinfrastruktur. In diesem Bereich sei die Wirtschaft noch viel zu zurückhaltend.
Stuttgart ist 2017 Welthauptstadt der Elektromobilität
Rainer Rommel sieht die Potenziale, vor allem im Ein- und Zweifamilienhausbereich und im kleineren Gewerbebau, also »überall dort, wo das Handwerk mit dem Elektrogroßhandel zusammenarbeitet.« Für Thomas Walter, Bereichsleiter des Geschäftsbereichs Industrie & Technologie der Messe Stuttgart, gehen die Aufgaben des Elektrohandwerks darüber weit hinaus. Elektrofahrzeuge, die während der Arbeitszeit in den Tiefgaragen oder auf Parkplätzen stünden, müssten mit Ladestrom versorgt werden. Dafür böten sich zum Beispiel Photovoltaik-Module an. So würden die E-Fahrzeuge mit erneuerbaren Energien betrieben und überschüssiger Strom könne im Gebäude selbst verbraucht werden. Auch dafür sei eine umfangreiche Infrastruktur notwendig, die das Elektrohandwerk schaffen müsse. »Als Messe Stuttgart haben wir den Anspruch, das Thema Elektromobilität insgesamt voranzubringen. Nicht umsonst ist Stuttgart 2017 Welthauptstadt der Elektromobilität. Anfang Oktober findet auf dem Messegelände die EVS30, der renommierte Weltkongress der Elektromobilität, statt«, so Walter abschließend. Zusammenfassend konstatiert Thomas Bürkle: »Ob Hersteller, Vertrieb, Händler oder Handwerk – um Elektromobilität kommt niemand mehr herum. Wegen der Feinstaubbelastung drohen nicht nur in Stuttgart, sondern in immer mehr Städten Fahrverbote. Auch das könnte dieser neuen alten Mobilitätsform zum Durchbruch verhelfen.« Weitere Informationen unter www.eltefa.de.