Merkblätter sind hinfällig Die in der Vergangenheit von mehreren Verbänden mangels normativer Vorgaben publizierten Merkblätter müssen nach dem Inkrafttreten der neuen Norm überarbeitet werden
Vereinfachte Konformitätserklärung
Die am 1.1.2016 in Kraft getretene Produktnorm DIN EN 60335-2-103 [2] vereinfacht dieses komplizierte Verfahren nun deutlich. Hersteller von Fensterantrieben können jetzt bereits ihre Produkte mit einer Konformitätserklärung in den Verkehr bringen, die unter bestimmten Voraussetzungen auch für das Endprodukt »kraftbetätigtes Fenster« gilt. Die Norm beschreibt nicht nur die Anforderungen an das Produkt Fensterantrieb, sondern auch die Gefahren, die üblicherweise vom kraftbetätigten Fenster für alle Personen am Installationsort ausgehen.Darüber hinaus regelt die DIN EN 60335-2-103 zusätzliche Schutzmaßnahmen für den Fall, dass die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen durch die Einbaulage des Fensters und den Fensterantrieb alleine nicht erfüllt werden können. In diesem Fall schreibt die Norm beispielsweise den Einsatz von Einklemm-Schutzsystemen mit genau definierten Anforderungen vor.
Die Norm wurde nach dem neuen Rechtsakt der Europäischen Union harmonisiert. Dadurch gilt für Produkte, die der Norm entsprechen, die Vermutungswirkung der Übereinstimmung mit der Rechtsvorschrift. Dies hat für Errichter den Vorteil, dass im Schadenfall nicht die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik belegt werden muss. Vielmehr muss die Marktaufsichtsbehörde nachweisen, dass das Produkt nicht der Norm entspricht.
Erleichterungen für Errichter
Diese umfangreichen Sicherheitsanforderungen der DIN EN 60335-2-103 erleichtern Errichtern und Fensterbauern die Konformitätsbewertung für das Endprodukt »kraftbetätigtes Fenster« enorm. Voraussetzung ist lediglich, dass Fensterantriebe mit einer Konformitätserklärung des Herstellers und einem CE-Kennzeichen nach DIN EN 60335-2-103 eingebaut werden und eine Überprüfung am Einbauort auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch nach Herstellerangaben erfolgt.- Eine erneute Risikobeurteilung und die CE-Kennzeichnung vor Ort durch den Errichter kann entfallen (vgl. Bild 1) wenn:
- eine Anwendung als natürliches Rauch- und Wärmeabzugsgerät (NRWG) nach EN12101-2 [3] ohne Doppelfunktion zur Lüftung erfolgt.
- die Einbauhöhe des Antriebs mehr als 2,5 m über dem Boden beträgt oder
- die Öffnungsweite an der Hauptschließkante (HSK) kleiner als 200 mm bei einer gleichzeitigen Geschwindigkeit der HSK in Schließrichtung kleiner 15 mm/s beträgt.
Diesen Anforderungen genügen die meisten kraftbetätigten Fenster, die zur automatisierten natürlichen Lüftung von Gebäuden eingesetzt werden (Bild 2). Wenn in Rauch- und Wärmeabzugsanlagen im Brandfall Öffnungsweiten über 200 mm gefordert sind, können je nach Hersteller die Funktionen der Fensterantriebe über die Software und die Kommunikation mit Steuereinrichtungen entsprechend der oben genannten Anforderungen konfiguriert werden (Bild 3). In anderen Fällen kann man die Notwendigkeit einer Risikobeurteilung nach dem Ablaufschema in Bild 1 prüfen, das auch die Schutzmaßnahmen nach DIN EN 60335-2-103 beinhaltet.
Anwendungsbereich der Norm
Darunter fallen auch NRWG nach EN 12101-2, die zusätzlich zur Lüftung genutzt werden. Auch Antriebe für Dachfenster gehören explizit zum Anwendungsbereich der Norm. Brandschutzfenster nach EN 16034 [4] sind zwar in der Norm nicht ausdrücklich erwähnt, fallen aber trotzdem in ihren Anwendungsbereich, wenn sie analog den NRWG über elektromotorische Antriebe auch zur automatisierten natürlichen Lüftung genutzt werden.
Die Norm gilt nicht für Antriebe für vertikal bewegte Garagentore zur Verwendung im Wohnbereich, für Rollläden, Markisen, Jalousien und ähnliche Einrichtungen für spezielle Zwecke, wie z. B. Feuerschutztüren, Fahrzeugtüren, Türen von Aufzügen sowie NRWG nach EN 12101-2, die nicht als Fenster zur Lüftung eingesetzt werden.
Sachgemäßer Gebrauch
Damit sind die DIN EN 60335-2-103 üblicherweise auftretenden Gefährdungen für Personen im und am Installationsort abgedeckt. Der Errichter hat also zu prüfen, ob am Installationsort eine bestimmungsgemäße Verwendung nach Herstellerangaben zu erwarten ist. Dabei ist auch zu prüfen, ob weitere Gefährdungen beispielsweise für bestimmte Personengruppen vorliegen, die in der Norm nicht erfasst sind. So berücksichtigt die DIN EN 60335-2-103 beispielsweise keine Kinder, die mit dem Gerät spielen, und auch nicht den Gebrauch des Geräts durch sehr junge Kinder (0 bis 3 Jahre) bzw. durch junge Kinder ohne Aufsicht (3 bis 8 Jahre).
Die Norm weist darüber hinaus darauf hin, dass sehr schutzbedürftige Personen Bedürfnisse über den beschriebenen Stand hinaus haben können. Ist am Einbauort des kraftbetätigten Fensters mit Gefahren für diese Personengruppen zu rechnen, muss der Errichter des kraftbetätigten Fensters gegebenenfalls besondere Schutzmaßnahmen ergreifen, da diese Gefahren durch die Konformitätserklärung des Antriebs nach DIN EN 60335-2-103 nicht abgedeckt sind (Bild 1).
Ausblick
Für die Hersteller elektrischer Fensterantriebe ist die Überprüfung der Produktsortimente auf die Anforderungen der MaschRL sowie der etwa 200-seitigen DIN EN 60335-2-103 und der DIN EN 60335-1 eine große Herausforderung. Der Hersteller Aumüller Aumatic z. B. hat die sicherheitstechnischen Merkmale der einzelnen Fensterantriebsbaureihen seines Fertigungsprogramms sehr genau analysiert und bewertet und für seine Fensterantriebe CE-Konformitätserklärungen nach DIN EN 60335-2-103 ausgestellt. Es ist davon auszugehen, dass andere Anbieter folgen werden bzw. schon gefolgt sind.Die in der Vergangenheit von mehreren Verbänden mangels normativer Vorgaben publizierten Merkblätter zum Thema kraftbetätigte Fenster müssen den Anforderungen der DIN EN 60335-2-103 angepasst werden. Die Konformitätsbewertung von kraftbetätigten Fenstern aufgrund einer Risikoanalyse gemäß MaschRL ist auch weiterhin möglich. Die Einhaltung der neue harmonisierten Produktnorm für Fensterantriebe vereinfacht allerdings das Verfahren und gibt den Herstellern Rechtsicherheit durch die Vermutungswirkung mit dem übergeordneten europäischen Rechtsakt.
Literatur
- [1] Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Maschinen (Maschinenrichtlinie – MaschRL)
- [2] DIN EN 60335-2-103:2016-05; VDE 0700-103:2016-05, Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke – Teil 2-103: Besondere Anforderungen für Antriebe für Tore, Türen und Fenster (IEC 60335-2-103:2006, modifiziert + A1:2010, modifiziert); Deutsche Fassung EN 60335-2-103:2015
- [3] DIN EN 12101-2:2003-09 Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 2: Bestimmungen für natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte; Deutsche Fassung EN 12101-2:2003
- [4] DIN EN 16034:2014-12 Türen, Tore und Fenster – Produktnorm, Leistungseigenschaften – Feuer- und/oder Rauchschutzeigenschaften; Deutsche Fassung EN 16034:2014.
Sollte es Probleme mit dem Download geben oder sollten Links nicht funktionieren, wenden Sie sich bitte an kontakt@elektro.net