Erster Anlaufpunkt für einen Interessenten kann dabei eine Einrichtung wie die »Schlau-Schule« sein, die sich speziell der sprachlichen Integration von Flüchtlingen widmet
Seitens der Politik besteht Handlungsbedarf Immer noch sind viele Entscheidungen in Asylverfahren nicht nachvollziehbar – dem Ausbildungsbetrieb fehlt somit die Planungsgrundlage
Wie kam es überhaupt zur Idee, Flüchtlinge auszubilden?
Diese Frage beantwortet Peter Rossmanith so: »Vor ca. sechs oder sieben Jahren bekam ich eine Bewerbung eines jungen Afghanen (Anmerkung der Red.: Hassan Ali Djan), der in der ‚Schlau-Schule‘ gelernt hatte (s. Info-Kasten). In seiner Bewerbung befand sich das Zeugnis über den qualifizierenden Hauptschulabschluss, das ich so nicht erwartet hätte. Der Notendurchschnitt war ca. 2,0 und ich war dadurch sehr positiv überrascht und habe ihn direkt auf dessen Handynummer angerufen. Ich lud ihn zu einem Vorstellungsgespräch ein und mir war schon nach wenigen Minuten klar, dass er bei mir im Betrieb seine Ausbildung anfangen kann.Er schloss seine Ausbildung dann als bester Migrant in seinem Bereich ab. Das war wiederum sozusagen der ‚Startknopf‘ für mich. Von diesem Tag an gab ich Asylbewerbern – quasi aus der Not heraus geboren, weil sich einfach keine qualifizierten deutschen Schüler bewarben – die Möglichkeit, ein Praktikum bei mir zu absolvieren, um den Beruf einfach mal kennenzulernen.«
Schließlich kommt er noch auf einen anderen Beweggrund zu sprechen: »Mir ist es darüber hinaus wichtig, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können, auch wenn sich das jetzt vielleicht etwas pathetisch anhört. Ich hatte viel Glück im Leben und möchte mich auf diese Art und Weise erkenntlich zeigen. Zudem bin ich einfach sehr gerne unter jungen Leuten und möchte schon allein deswegen – solange ich diesen Betrieb führe – auch Ausbilden. Das müssen jetzt nicht zwangsläufig junge Flüchtlinge sein, sollte sich ein junger Deutscher mit guten Noten bewerben, dann gerne. Derzeit befinden sich aber ausschließlich junge Männer bei mir in der Ausbildung die ihre Wurzeln im Ausland haben, wie z.B. Daniel als Afghane, ein weiterer junger Mann im zweiten Ausbildungsjahr aus dem Kongo und schließlich einen Kurden im ersten Jahr.«
Das Problem mit der Sprache
Das ist für viele, die sich vorstellen könnten, mit Flüchtlingen zusammenzuarbeiten, vielleicht einer der Hauptgründe, es nicht zu tun. Doch leicht beginnt hier ein Teufelskreis, aus dem es nur schwer einen Ausweg gibt. Die Kommunikation mit den Einheimischen ist elementar, denn kaum jemand redet einfach so mit sich selbst in einer fremden Sprache und die will zunächst erlernt sein.Der Auszubildende, Daniel Qorbani, weiß ein Lied davon zu singen: »Ich war zunächst für ein Jahr in einem Asylbewerberheim zwischen Passau und Deggendorf. Während der gesamten Zeit gab es für mich keine Möglichkeit, einen Deutschkurs zu belegen. Das Schlimmste daran war, nichts zu tun zu haben. Ich war von zu Hause viel Arbeit gewöhnt und so langweilte ich mich total. Deswegen bin ich zum Leiter des Heims und fragte ihn, was ich machen könne, ohne dass ich dabei auf Geld aus war. Er ließ mich einfach die Straße kehren. Das habe ich gemacht, jeden Tag, gleich früh morgens. Dann sagte er zu mir, dass ich mit ihm gehen könne, sozusagen ‚Sozialarbeit‘ machen, es gäbe auch einen Euro pro Stunde dafür, was mir aber – wie gesagt – nicht wichtig war. Irgendwann fragte er mich dann, ob er mir einen Gefallen tun könne. Ich erwiderte, ja, sag mir, wo ich einen Deutschkurs machen kann.«
Das war dann allerdings nicht in dieser Gegend möglich und so half ihm jener Sozialarbeiter bei der Antragstellung. Der weitere Weg führte ihn dann nach München, wo er zumindest für ein Jahr bei einem Putzdienst eine Anstellung und in Dachau ein Wohnung fand. Das war der Grundstein für seinen weiteren Weg, der ihm wiederum einen Kurs bei der »Schlau-Schule « einbrachte: »Ich musste zunächst einen Aufnahmetest machen, zum Glück konnte ich schon ein wenig Deutsch. Ich bestand den Test und konnte schließlich meinen Kurs belegen.«
Der Weg in die Ausbildung
Von jetzt an war es nur noch ein kleiner Schritt bis zum ersehnten Ausbildungsplatz. Man erkannte in der Schule recht schnell, dass der junge Mann sehr motiviert war und fragte ihn, ob er denn nicht ein Praktikum bei einem Elektrobetrieb absolvieren wolle: »Ich sagte zu mir, dass ich dafür vielleicht nicht genügend Deutsch könne, dennoch bewarb ich mich um die Praktikumsstelle. Während der zwei Wochen merkte ich, dass mir der Job total Spaß macht. Umso schöner war es dann, dass Herr Rossmanith mich in die Ausbildung übernahm. Das war mein Lohn! Drei Jahre hatte ich versucht, eine Ausbildung zu bekommen, dann hatte ich sie endlich gefunden. Das war meine Chance, denn schließlich bin ich schon dreißig Jahre alt und da ist es besonders schwer, noch Fuß zu fassen.«Die nächsten Jahre
Er versucht es inzwischen einfach zu vergessen auch wenn es immer wieder in seinen Gedanken auftaucht und ihn auch ärgert: »Das einzige, was hier in Deutschland wirklich schlecht ist, sind diese vielen Regeln, was uns Asylbewerber betrifft. Wenn du arbeitswillig bist, wirst du oft nicht gelassen, weil irgendwer sagt, dass das wegen irgendeinem Gesetz nicht geht. Ansonsten ist die Ausbildung hier perfekt. Herr und Frau Rossmanith sind sehr nett und auch die Kollegen und alle helfen mir, wo sie können und ich habe inzwischen sehr, sehr viel gelernt, das werde ich nicht vergessen.«
Doch Peter Rossmanith gibt zu bedenken: »Wir wollen uns hier jetzt nicht beweihräuchern, du musst in erster Linie nach deiner Ausbildung schauen. Wir bieten dir hier nur das Forum, dass du deine Ausbildung gut schaffen kannst (Bild 2).«
Außerdem ist ihm die derzeitige Politik durchaus ein Dorn im Auge: »Wir müssen in Zukunft unsere Politik neu überdenken. Die Asyl- und Einwanderungspolitik darf in Zukunft einfach nicht mehr nur nach den Paragrafen des Grundgesetzes betrieben werden. Ich hoffe, dass man irgendwann einmal erkennt, dass wir hier dringend die Arbeitskräfte brauchen.«
Sein Auszubildender ergänzt: »Mein Wunsch ist einfach, die Ausbildung gut abzuschließen und später eine Familie zu gründen, die ich durch meine Arbeit ernähren kann und das alles am besten in Deutschland. Mehr brauche ich nicht. Dieser Job ist alles für mich.«
Ein schlichter Wunsch, dessen Erfüllung sehr einfach erscheint und dennoch, bei Licht betrachtet, häufig genug an der Realität in Deutschland im Jahr 2017 zu scheitern droht. Ich mache mich wieder auf den Weg, nach dem die beiden Gesprächspartner schon wieder durch die Tür in Richtung Baustelle verschwunden sind. Frau Rossmanith verabschiedet mich mit den Worten: »Hier ist noch etwas für Sie. Das ist ein Buch unseres ersten Flüchtlings als Azubi. Das hat er mit Hilfe einer freien Journalistin geschrieben.« Ich bin sehr beeindruckt und lese die ersten Zeilen. Seine Flucht von Griechenland aus war haarsträubend und endete schließlich in München, im Ersatzreifen eines LKW.