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Sensibilisierung nötig

Sicherheit in der Elektroinstallation

Dipl.-Ing. (FH) Georg Luber, verantwortlich für die Normen- und ­Verbandsarbeit beim Siemens-Geschäftsbereich Low Voltage & Products in Regensburg; gelernter Elektroinstallateur
Dipl.-Ing. (FH) Georg Luber, verantwortlich für die Normen- und ­Verbandsarbeit beim Siemens-Geschäftsbereich Low Voltage & Products in Regensburg; gelernter Elektroinstallateur
Während es Anfang der 1970er Jahre (alleine in Westdeutschland) noch ca. 250 Stromtote pro Jahr gab, ist diese Zahl heute auf deutschlandweit etwa 40 gesunken. Der überwiegende Teil der Todesfälle findet im privaten Umfeld statt – die Anzahl der gewerblichen tödlichen Stromunfälle im Bereich der BG ETEM lässt sich in den vergangenen Jahren meist an einer Hand abzählen.

Ob man mit dem Erreichten zufrieden sein kann und wo weitere Potenziale zur Erhöhung der elektrischen Sicherheit liegen, darüber sprachen wir mit Georg Luber. Er ist verantwortlich für die Normen- und Verbandsarbeit beim Siemens-Geschäftsbereich Low Voltage & Products in Regensburg.

»de«: Herr Luber, die Anzahl der Strom­toten ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken. Sind Sie mit dieser Entwicklung zufrieden?

G. Luber: Ja und nein. Der Rückgang ist in der Tat erfreulich, aber jeder Stromtote ist ­einer zu viel.

Zudem zeigt die Statistik aus meiner Sicht nicht das ganze Bild: Jedes Jahr sterben durchschnittlich 400 Menschen und es gibt tausende Schwerverletzte durch Rauch und Feuer – und Brandursache Nr. 1 ist die Elektrizität. Über 30 % aller Brände werden durch elektrischen Strom verursacht, dieser Wert ist seit vielen Jahren nahezu unverändert. Es besteht also durchaus noch Handlungsbedarf.
Todesfälle durch elektrischen Strom in Deutschland
Todesfälle durch elektrischen Strom in Deutschland
»de«: Welchen Einfluss hat die elektrotechnische Normung auf die Entwicklung der Unfallzahlen?

G. Luber: Die Anwendungsnormen der Reihe DIN VDE 0100 in Kombination mit den jewei­ligen Produktnormen haben aus meiner Sicht erheblich zur Verbesserung der elektrischen ­Sicherheit beigetragen. Hier müssen sie allerdings in langen Zyklen denken. Bei einer Sanierungsrate von unter 1 % kann es Jahrzehnte dauern, bis sich eine neue Technologie breit durchgesetzt hat und sie einen wesentlichen Einfluss auf die Statistik nehmen kann.

»de«: Im Oktober 2018 wurde ja die ­aktuelle Fassung der DIN VDE 0100-410 »Schutz gegen elektrischen Schlag« eingeführt. Trägt sie zu einer Verbesserung des Sicherheitsniveaus bei?

G. Luber: Eine wesentliche Neuerung der ­aktuellen Fassung der DIN VDE 0100-410: Fehlerstromschutzschalter I∆N ≤ 30 mA sind nun auch bei Beleuchtungsstromkreisen in Wohnungen vorgeschrieben. Ein Grund für diese Änderung liegt darin, dass heute immer mehr LED-Leuchten eingesetzt werden, bei denen man das Leuchtmittel nicht mehr wechseln kann. Da ein Großteil der Leuchten im Privatbereich von elektrotechnischen Laien montiert werden dürfte, hat man im zuständigen Normungsgremium entsprechenden Handlungsbedarf gesehen.
Brandursache Nr. 1: Elektrizität
Brandursache Nr. 1: Elektrizität
»de«: Man könnte Ihrem Arbeitgeber als Hersteller von Fehlerstromschutzschaltern unterstellen, dass diese Normänderung nicht ganz uneigennützig war?

G. Luber: Ich gehe nicht davon aus, dass diese Änderung zu einem deutlichen Mehrumsatz bei Fehlerstromschutzschaltern führen wird. Denn in der Praxis werden doch schon heute oft Steckdosen- und Beleuchtungsstromkreise gemischt. Außerdem gilt die neue Vorschrift nur für Wohnräume, gewerblich ­genutzte Bauten sind nicht betroffen.

»de«: Gibt es im Bereich des Schutzes ­gegen elektrischen Schlag noch Potenzial zur Erhöhung der Sicherheit?

G. Luber: Leider kommt es nach wie vor ­immer wieder zu tödlichen Stromunfällen im Badezimmer. So sind vor einigen Jahren in Kassel zwei Kinder in der Badewanne verunglückt – sie haben den Bartschneider ihres Vaters in die Badewanne gezogen. Das Schutzklasse-II-Gerät hatte keinen Schutzleiter, insofern konnte der vorhandene Fehlerstromschutzschalter nicht auslösen.

Ein anderer Fall ereignete sich 2017 in Wien: Hier kam eine Frau in der Badewanne ums Leben, die dort mit dem Handy telefonierte. Das Smartphone hing über ein Ladekabel an einem Steckdosen-USB-Ladegerät, das offensichtlich defekt war, so dass statt der 5 V Ladespannung 230 V anstanden.

So tragisch es ist – solche Unglücksfälle lassen sich technisch gesehen kaum verhindern: Bei Geräten der Schutzklasse II in Kombination mit den heute üblichen, isoliert aufgestellten Kunststoffbadewannen kann ein Fehlerstromschutzschalter nicht auslösen. Hier hilft nur eine verstärkte Sensibilisierung der Endkunden hinsichtlich der Gefahren des elektrischen Stroms – angesichts der vergleichsweise geringen Fallzahlen sicherlich kein einfaches Unterfangen.

Anders sieht es – wie eingangs bereits erwähnt – im Bereich des Brandschutzes aus: Hier sind aus meiner Sicht noch nicht alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft.

»de«: Unter dem Aspekt Brandschutz wurde ja mit der DIN VDE 0100-420 der umgangssprachlich »Brandschutzschalter« genannte AFDD eingeführt, was zu teilweise heftigen Abwehrreaktionen geführt hat. Ist man hier übers Ziel hinausgeschossen?

G. Luber: Zunächst einmal muss gesagt werden, dass bei der Entstehung der Norm alle Prozesse eingehalten wurden. Aber rückblickend lief die Einführung der DIN VDE 0100-420 nicht optimal. Das ändert ­jedoch nichts an der Tatsache, dass ich die dort verfolgten Schutzziele nach wie vor für absolut richtig halte: Die Anzahl der Brandtoten sinkt nicht, und Elektrizität ist Brandursache Nr. 1 – hier ist also eindeutig Handlungsbedarf gegeben.
Georg Luber: »Bei der Reduzierung der durch Elektrizität verursachten Brände sehe ich noch klaren Handlungsbedarf«
Georg Luber: »Bei der Reduzierung der durch Elektrizität verursachten Brände sehe ich noch klaren Handlungsbedarf«
An einer Überarbeitung der DIN VDE 0100-420, die in neuer Fassung voraussichtlich 2020 international und im Anschluss in deutscher Version erscheinen wird, arbeitet nun u.a. auch die Bauindustrie mit. Das begrüße ich ganz eindeutig, denn unser gemeinsames Bestreben ist es, die Anzahl und die Folgen von Brandschäden zu senken. Dafür ist ein Bündel von Maßnahmen notwendig – der AFDD ist ein Element davon, aber sicherlich nicht das einzige.

In der Diskussion ist aktuell auch, in welchen Anwendungsbereichen der AFDD künftig vorgeschrieben wird und in welchen er nur empfohlen ist. Hier kämpfe ich insbesondere darum, dass es in Kindertagesstätten und Pflegeheimen, also für besonders schützenswerte Personengruppen, beim verpflichtenden Einbau bleibt. Kommt es in solchen Einrichtungen zu einem Feuer, ist eine geordnete und rechtzeitige Evakuierung nahezu unmöglich. Hier muss aus meiner Sicht alles getan werden, um die Gefahr eines Brandes so weit wie möglich zu senken.

»de«: Unter den Anwendungsbereich der DIN VDE 0100-420 fallen auch feuergefährdete Betriebsstätten. Mit den heute verfügbaren AFDD kann ich einphasige Geräte schützen, dreiphasige jedoch nicht. Macht das Sinn?

G. Luber: Aus Sicht des Schutzziels der DIN VDE 0100-420 besteht hier sicherlich noch eine Lücke. Doch Sie können nur solche technischen Vorrichtungen installieren, die am Markt auch verfügbar sind – und mehr­polige AFDD gibt es Stand heute nicht. Sie können aber davon ausgehen, dass die Industrie hier an einer Lösung arbeitet.

»de«: Herr Luber, vielen Dank für das Gespräch.
Elektrogeräte als Brandursache
Etwa ein Drittel aller Brände in Gebäuden entsteht durch Elektrizität. Mit großem ­Abstand ist dies die häufigste Brandursache, wie die Statistiken des Institutes für Schadenverhütung und Schadenforschung (IFS) aus den Jahren 2012 bis 2017 zeigen. Die ­meisten Brände wurden in den vergangenen Jahren durch ­Wäschetrockner verursacht. Platz zwei belegen Kühl- und Gefriergeräte. Danach folgen ­Geschirrspüler und Wasch­maschinen. Die Nummer fünf der elektrotechnischen Brandverursacher sind Mehrfachsteckdosenleisten. Fernsehgeräte hingegen verschwinden langsam aus dem Ranking der Brandursachen­ermittler, da es immer weniger Röhrenfernseher gibt.
 
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Dipl.-Ing. Andreas Stöcklhuber

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