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Praxisfrage

Normenkonformität von Erdungsanlagen

Ich habe eine Frage zur DIN 18014:2023-6, Tabellen 1 und 2. Im Fachbuch »VDE 0100 und die Praxis – Wegweiser für Elektrofachkräfte« (Autoren: Kiefer, Schmolke und ­Callondann; VDE-Verlag) steht auf S. 307, dass Strahlenerder oder Stab-/Tiefenerder in Abhängigkeit der Fundamentgröße vor­zusehen sind. Wie sieht es aus haftungsrechtlicher Sicht aus, wenn ein Fachbetrieb, der ­eine Erdungs- und Blitzschutzanlage errichtet, die Anzahl der Strahlenerder oder Stab-/Tiefenerder in Abhängigkeit der Fundamentgröße nicht einhält?

G. B., Sachsen

Expertenantwort vom 12.09.2024
Schmolke_Herbert
Dipl.-Ing. Herbert Schmolke

Studium der Energietechnik. Jahrelange Tätigkeit in einem größeren Planungsbüro für Großindustrieplanung und Sonderbau. Er war auch einige Jahre als Berufsschullehrer bei einem privaten Bildungsträger tätig. Seit über 15 Jahren im Einsatz bei VdS Schadenverhütung, Köln. Dort zuständig für die Anerkennung von Experten auf dem Gebiet der Elektrotechnik. Mitarbeit in zahlreichen Normungsgremien und DKE-Arbeitskreisen.

DIN 18014, DIN VDE 0100-540, TAB, VDE-AR-N 4100, DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3), DIN VDE 0100-600

Relevante Bestimmungen

Für eine Antwort auf diese Frage sind einige Dinge zu beachten. Bereits aus der Formulierung im DIN 18014, Abschnitt 1 (Anwendungsbereich) geht hervor, dass die Forderungen nach einer Erdungsanlage komplexer sind, als man gemeinhin annimmt. Wörtlich heißt es in dem besagten Abschnitt: »Dieses Dokument legt Anforderungen an die Planung, Ausführung und Dokumentation von Erdungsanlagen fest (…) Anmerkung: Dieses Dokument enthält keine Forderung nach Errichtung von Erdungsanlagen für neu zu errichtenden Gebäuden (…)«. Das bedeutet, dass man bei der Planung, Ausführung und Dokumentation von Erdungsanlagen zwar DIN 18014 beachten soll, aber diese Norm selbst erhebt keine Forderung nach einer ­Erdungsanlage von Gebäuden. Eine solche Forderung müsste nämlich in anderen Dokumenten festgelegt werden.

Solche Forderungen gibt es natürlich. In DIN VDE 0100-540, Abschnitt 542.1.1 heißt es beispielsweise: »In Deutschland besteht nach den Technischen Anschlussbedingungen (TAB) der Netzbetreiber eine Verpflichtung, in allen neuen Gebäuden eine Erdungsanlage nach der nationalen Norm DIN 18014 zu errichten

Danach bestünde also die Verpflichtung, dass in allen Gebäuden, in denen die TABs der Netzbetreiber zugrunde gelegt werden müssen, eine Erdungsanlage vorzusehen ist, die in der Ausführung den Anforderungen der DIN 18014 entspricht.

TABs, VDE-Anwendungsregeln und Werksverträge

Allerdings wurden die Inhalte der TABs in den letzten Jahren weitgehend in die VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4100 überführt. Diese VDE-AR trägt den Titel: »Technische Regeln für den Anschluss von Kundenanlagen an das Niederspannungsnetz und deren Betrieb (TAR Niederspannung)«. Im Abschnitt 11.1 dieser Norm heißt es: »In neu zu errichtenden Gebäuden ist unabhängig vom Netzsystem ein Fundamenterder nach DIN 18014 zu errichten.«

Sofern die TAB des zuständigen Netzbetreibers nichts anderes vorgibt, bezieht sich die Forderung nach einer Erdungsanlage in der VDE-AR-N 4100 ausdrücklich auf Fundamenterder und nicht auf jede Art und Ausführung von Erdungsanlagen nach DIN 18014. Die Beschreibung zu Stab-/Tiefenerder oder Strahlenerder in den Abschnitten 6.3 und 6.4 aus DIN 18014 sind also bei neu zu errichtenden Gebäuden, bei denen die Anforderungen aus TAB bzw. VDE-AR-N 4100 zugrunde gelegt werden sollen, nicht automatisch Inhalt der Forderung nach einer Erdungsanlage. Bei Gebäuden, für die die VDE-AR-N 4100 keine Geltung hat, sowie bei Nachrüstungen von bestehenden Gebäuden ist die Fokussierung auf den Fundamenterder allerdings nicht automatisch gegeben. In solchen Fällen müsste aus der konkreten Anlagensituation heraus eine Möglichkeit gewählt werden, die sicherstellt, dass die Funktionen einer Erdungsanlage, die in DIN 18014, Abschnitt 4.1 beschrieben werden, erfüllt werden können. In der Regel gelingt dies durch die Einhaltung aller Anforderungen nach DIN 18014.

Ebenso kann die Forderung nach einer Erdungsanlage gemäß DIN 18014 im Werksvertrag enthalten sein, der der Errichtung zugrunde liegt, beispielsweise im Leistungsverzeichnis einer Ausschreibung. Diese Forderung wäre dann durch den Vertrag verbindlich. Wenn im Vertrag (bzw. im Leistungsverzeichnis) ausdrücklich die Einhaltung der Anforderungen nach DIN 18014 gefordert wird, bezieht sich die Verbindlichkeit natürlich auch auf Art und Umfang der Ausführung.

Sonderfall Blitzschutz

Die Leserfrage bezieht sich allerdings auch auf Blitzschutzerdungen. Ob die Blitzschutz-Fachkraft mit einer Erdungsanlage ohne Fundamenterder zufrieden ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Insbesondere, wenn zusätzlich von der DIN 18014 abgewichen wird, ist dies jedoch eher unwahrscheinlich. In DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3), Abschnitt E.5.4.3.1 heißt es, dass nur durch einen Fundamenterder alle Vorgaben an eine Erdungsanlage erfüllt werden können, während Strahlen- oder Tiefenerder einige dieser Vorgaben (vor allem die nach einem Blitzschutz-Potentialausgleich und einer Potential­steuerung) nur bedingt oder gar nicht erfüllen. Allerdings wird in Blitzschutznormen nirgendwo gefordert, eine Erdungsanlage mit Stab-/Tiefenerder oder Strahlenerder nach DIN 18014 zu errichten, da – wie zuvor schon erwähnt – für neu zu errichtende Anlage ohnehin ein Fundament­erder oder alternativ ein entsprechender Ringerder nach DIN 18014, Abschnitt 6.2 vorgesehen werden muss.

Was beispielsweise bei der nachträglichen Errichtung einer Erdungsanlage zu beachten ist, muss natürlich den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, die in der Regel durch eine entsprechende Norm beschrieben werden, und das ist in Deutschland selbstverständlich die DIN 18014. Wer dies nicht tut, muss nachweisen, dass sein Vorgehen den gewünschten Anforderungen trotzdem entspricht. Dies dürfte jedoch extrem schwerfallen.

Fazit

Die Frage ist nun, was geschieht, wenn eine Erdungsanlage – aus welchen Gründen auch immer – mit Stab-/Tiefenerder oder Strahlenerder geplant und ausgeführt wurde und diese darüber hinaus nicht den Anforderungen nach DIN 18014 entspricht. Dies ist von der abnehmenden Elektrofachkraft nach DIN VDE 0100-600, Abschnitte 6.4.1.1 und 6.4.2.3 (oder einem prüfenden Sachverständigen) als Mangel zu bewerten. Hier gilt der Grundsatz: Wer einen Mangel verursacht hat, muss ihn selbstverständlich auch beheben.

Die Blitzschutz-Fachkraft, die eine funktionierende und normgerechte Blitzschutzanlage errichten soll und feststellt, dass die Vorgaben an die Erdungsanlage, die ein anderes Gewerk errichtet hat, nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht, muss den Auftrag entweder ablehnen oder vorab eine Mängelbeseitigung fordern. Nimmt die Blitzschutz-Fachkraft den Mangel stillschweigend hin und errichtet trotzdem die Blitzschutzanlage, hat sie den Mangel akzeptiert. Sie ist dann für Schäden, die möglicherweise dadurch verursacht oder begünstigt wurden, mit verantwortlich. Ob es reicht, die Gewährleistung für die Blitzschutzanlage zu beschränken, müsste im Einzelfall geprüft werden. Allerdings wäre ein solches Vorgehen in jedem Fall bedenklich und nur bedingt zu empfehlen. Wichtig ist auch, dass der Mangel genau beschrieben und mit den möglichen Auswirkungen dem Auftraggeber – z. B. dem Bauherrn – schriftlich mitgeteilt wird.

Herbert Schmolke

PP24100


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