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Praxisfrage

Potentialsteuerung auf Bootssteg?

Meine erste Frage zielt auf folgendes: Ein Bootssteg auf einem See wird erneuert und dabei die Stromversorgung der Boote an die aktuellen Vorschriften angepasst. Die Boote sind hauptsächlich Segelboote mit geringem Strombedarf (kleine Motor-Akkus, Kühlschrank). Geplant sind drei bis vier Stegverteiler mit je vier CEE-Steckdosen, einzeln mit FI/LS (RCD/LS) abgesichert (Bild 1). Die Stegverteiler werden seriell mit H07RN-F 5G6 angeschlossen, der letzte Stegverteiler ist ca. 100 m von Hauptanschluss entfernt. Das Gebäude hat keine Blitzschutzanlage.

Bei Leiter-Schutzleiter-Fehlern am Steg kommt es zu einer Potentialanhebung am Schutzleiter gegen ferne Erde bis zur halben Strangspannung (~115 V). Auch wenn RCD und LS ordnungsgemäß abschalten, können kurzzeitig hohe Berührungsspannungen auftreten, wenn gleichzeitig z.B. ein Segelboot (ferne Erde) und an den Schutzleiter angeschlossene Gehäuse berührt werden. Eine Potentialsteuerung mit Einbindung der Stegpiloten und zusätzlichem Schutzpotentialausgleich mit Anschluss aller berührbaren Metallteile könnte Abhilfe schaffen. Meine Frage: Handelt man sich durch so eine Potentialsteuerung auf einem Bootssteg auch Nachteile ein?

Die zweite Frage ist: Der Steg hat einen Holzbelag, der auf Metall-Piloten steht, die in den Seegrund getrieben sind (= ferne Erde). Die Boote (überwiegend Segelboote mit Metall-Mast, Metall-Beseilung und Metall-Kiel) liegen parallel zu schmalen Seitenstegen. Durch den Metall-Kiel habe ich angenommen, dass sie gut »geerdet« sind (auch wenn sauberes Wasser schlecht leitet) und somit auch der Mast und die Beseilung auf dem Potential der »fernen Erde« liegen.

Die Stromversorgung der Boote (Lade­geräte, Kühlschrank) erfolgt durch dreipolige Verbindungsleitungen L-N-PE zu den Verteilern am Steg (Bild 1). Welche Schutzklasse die Geräte auf den Booten haben und wie weit sie in Hinblick auf den Schutzleiter von der Landstromversorgung getrennt sind, kann ich nicht sagen.

Sollte es am Boot oder in einem Gerät neben dem Boot zu einem L-PE-Fehler kommen, wird das Potential des Schutzleiters auf das Potential des Hauptverteilers plus Spannungsabfall am Schutzleiter angehoben. Wird dann zeitgleich ein Metallteil des Bootes berührt, überbrückt der Mensch die Potentialdifferenz Schutzleiter gegen »ferne Erde«. Wenn alle Maßnahmen gegen indirekte Berührung greifen (RCD und LS) ist das zwar nur wenige Zehntelsekunden, aber vielleicht genug, um zu erschrecken, ins Wasser zu fallen usw. Durch einen zusätzlichen Potentialausgleich durch mehrmaliges Verbinden des Schutzleiters mit einem Potentialausgleichsleiter (im Bild schwarz eingezeichnet), der wiederum mehrmals mit z. B. Metallpiloten verbunden wird, könnte diese Potentialdifferenz deutlich verkleinert werden.

Können durch so einen Potentialausgleich und langen Potentialausgleichsleiter auch andere ungewollte Effekte auftreten, z.B. Überspannungen in den Hauptverteiler oder dergleichen? Eventuell sind dann Überspannungsschutzmaßnehmen zu treffen. Vielleicht habe ich auch einen grundsätzlichen Denkfehler, aber es ist mir nicht ganz klar und Veröffentlichungen zu diesem Thema habe ich keine gefunden.

W. T., Österreich

Expertenantwort vom 02.04.2024
Autorenbild
Werner Hörmann

Gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant für Schaltan­lagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE. Seine Spezialgebiete sind u. a. die Er­richtungsbestimmungen nach DIN VDE 0100 (VDE 0100) – insbesondere Schutz gegen elektrischen Schlag –, die Niederspannungs-Schaltanlagen nach DIN EN 60439 (VDE 0660-500 bis -514) oder das Ausrüsten von elektrischen Maschinen nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1). Werner Hörmann ist Verfasser zahlreicher Beiträge in der Fachzeitschrift »de« sowie Autor diverser Fachbücher.

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