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Praxisfrage

Steckdosen ohne PE-Anschluss und -Kontakt

Eine Hausverwaltung hat mich gebeten, bei einer Mieterin eine defekte Steckdose zu tauschen. Vor Ort fand ich eine runde 3-er Kombination vor, die halb versenkt war, allerdings ohne einen Schutzleiterkontakt. Im Rest der Wohnung sah es nicht anders aus. Ich habe der Hausverwaltung mitgeteilt, dass das so nicht geht und empfohlen, der Mieterin von der Verwendung von Geräten mit Schutzklasse I abzuraten.

Wie geht man damit um? Eigentlich müsste die gesamte Anlage erneuert werden. Ein Bestandsschutz greift hier wohl nicht.

M. B., Berlin

Expertenantwort vom 25.06.2024
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Werner Hörmann

Gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant für Schaltan­lagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE. Seine Spezialgebiete sind u. a. die Er­richtungsbestimmungen nach DIN VDE 0100 (VDE 0100) – insbesondere Schutz gegen elektrischen Schlag –, die Niederspannungs-Schaltanlagen nach DIN EN 60439 (VDE 0660-500 bis -514) oder das Ausrüsten von elektrischen Maschinen nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1). Werner Hörmann ist Verfasser zahlreicher Beiträge in der Fachzeitschrift »de« sowie Autor diverser Fachbücher.

Normen der Reihe DIN VDE 0100, zurückgezogene/ungültige DIN VDE 0100:1973 und zurückgezogenes Beiblatt 2 zu DIN VDE 0100:1992-10

Bestandsschutz bleibt schwieriges Thema

Das Thema »Bestandsschutz« ist immer wieder ein Problem, insbesondere weil es den Begriff »Bestandsschutz« in den Normen der Reihe DIN VDE 0100 nicht gibt. Aber es gibt auch keine Forderung, ältere elektrische Anlagen/Anlagenteile, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung den damals gültigen Normen entsprachen, an neuere Normen anzupassen. Siehe hierzu auch folgenden »Hinweis zur Norm«: »Erläuterungen anlässlich der Veröffentlichung von DIN VDE 0100-420:2022-06«. Sie können sich diese Veröffentlichung unter diesem Link herunterladen: www.dke.de/de/arbeitsfelder/core-safety/normenhinweise/faq-liste-zur-din-vde-0100-420. Im Dokument dürfte insbesondere der Abschnitt (3) dieser Erläuterungen für Sie von Bedeutung sein.

Eine Anpassung ist auch dann nicht gefordert, wenn es um das Auswechseln von beispielsweise Kabeln/Leitungen, Zähleranlagen, Verteilern und anderen elektrischen Betriebsmitteln geht. Es besteht normativ keine Forderung, die vorhandene elektrische Anlage vollständig an neuere Normen anzupassen. Auch beim Hinzufügen neuer Stromkreise ist eine Umrüstung oder Anpassung der vorhandenen elektrischen Anlage nicht gefordert. In wenigen Fällen kann eine Anpassung notwendig sein, die nur zu bestimmten Teilen ausgeführt wird.

Das alles unter dem Vorbehalt, dass von der vorhandenen elektrischen Anlage – z. B., weil sich die elektrische Anlage in einem desolaten Zustand befindet – keine Gefahr für den Menschen ausgeht.

Zu Ihrem Vorschlag

Ihren Vorschlag, dass der Mieter keine Betriebsmittel/Verbrauchsmittel der Schutzklasse I verwenden darf, halte ich leider für nicht realistisch, da sich der Mieter kaum daran halten wird. So wie Sie das Problem schildern, könnte es sich um eine elektrische Anlage handeln, die vor 1973 errichtet wurde   und bei der der Schutz durch »nicht leitfähige Räume« zur Anwendung kam. Für solche Räume gab es eine Anpassungsverpflichtung im §6 von DIN VDE 0100:1973-05 (siehe Kasten).

Errichten von Starkstromanlagen bis 1000 V

(Auszug aus § 6 von DIN VDE 0100:1973-05 )

  • 1.2 bei Erweiterungen bestehender Anlagen in Räumen, in denen nach früheren Bestimmungen keine Schutzmaßnahmen erforderlich waren, nach § 6a) 1.1 jedoch jetzt verlangt werden, Anmerkung: Bei dieser Erweiterung müssen für die bestehenden Anlagen in diesen Räumen nachträgliche Schutzmaßnahmen angewendet werden.
  • 1.3 bei bestehenden Anlagen in Räumen, die ursprünglich a) 2.2.2 zuzuordnen waren, die aber durch nachträglichen Einbau von zufällig berührbaren, mit Erde in Verbindung stehenden Einrichtungen wie Wasser-, Gas oder Heizungsanlagen ihre früher isolierende Beschaffenheit verloren haben.

Des Weiteren gab es für die Beitrittsgebiete (neue Bundesländer und Teile Berlins) im Beiblatt 2 zu DIN VDE 0100:1992-10 auch folgende Anpassungsverpflichtung: »(…) Zur Sicherstellung eines einheitlichen Sicherheitsniveaus im vereinten Deutschland werden folgende Anpassungen in den angegebenen Fristen vom DKE-Komitee 221 für das Beitrittsgebiet gefordert:

a) Hausinstallationen in Räumen mit isolierendem Fußboden,

  • in denen sich ursprünglich keine zufällig berührbaren, mit Erde in Verbindung stehenden Einrichtungen befanden,
  • die jedoch in der Vergangenheit durch nachträglichen Einbau von zufällig berührbaren, mit Erde in Verbindung stehenden Einrichtungen, wie Wasser-, Gas- oder Heizungsanlagen, ihre frühere isolierende Beschaffenheit verloren haben, müssen unverzüglich mit einem Schutz bei indirektem Berühren nachgerüstet werden.

Als vorübergehende provisorische Verbesserung des Schutzes wird bis zu einer nächsten Änderung der Anlage oder der Modernisierung oder Renovierung des Gebäudes/der Wohnung/des Wohnraumes der Einsatz von RCD (Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen/Differenzstrom-Schutzeinrichtungen) mit einem Nennfehlerstrom/Nenndifferenzstrom von höchstens 30mA im Zweileitersystem ohne Verlegung eines Schutzleiters zur Erfüllung der Anpassungsforderung zugelassen.

Als Termin für das Ende der provisorischen Verbesserung des Schutzes gilt der Zeitpunkt der zuerst vorkommenden Maßnahme (Änderung... /Modernisierung... /Renovierung...), spätestens jedoch bis 1. März 2002. (Ursprüngliche Anpassungsforderung: VDE 0100/05.73, § 6a) 1.3)

Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs) müssen so nah wie möglich am Speisepunkt der elektrischen Anlage errichtet werden. Zum Schutz bei indirekten Blitzeinwirkungen und bei Schaltüberspannungen müssen mindestens Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs) Typ 2 verwendet werden.«

Ungeachtet dessen, wo die elektrische Anlage errichtet wurde, hätte eine Anpassung, d.h. das Anwenden einer »Schutzleiterschutzmaßnahme« vorgenommen werden müssen, wenn mit Erde in Verbindung stehenden leitfähige Teile in die Räume eingebracht wurden.

Hat sich aber an den Raumverhältnissen nichts geändert, d. h., wenn keine leitfähigen mit Erde in Verbindung stehenden Teile eingebracht wurden (was ich mir kaum vorstellen kann), dürften formal die Steckdosen ohne Schutzkontakt beibehalten werden. In diesem Falle dürften aber keinesfalls die vorhandenen Steckdosen gegen solche mit Schutzkontakt getauscht werden.

Was kann getan werden?

Hierzu hatte ich bereits eine Lösung vorgeschlagen, die aber nur anwendbar ist, wenn die Versorgung der elektrischen Anlage zum Zeitpunkt der Errichtung »nullungsfähig« war. Dann wäre es möglich, den zweiten Leiter, der dann als »Nullleiter« (entspricht in etwa dem heutigen PEN-Leiter) betrachtet werden kann, mit dem Schutzkontakt der neuen Steckdosen zu verbinden und dann eine Brücke zum Neutralleiterkontakt auszuführen. Das würde auch alle festangeschlossenen Betriebs- oder Verbrauchsmittel der Schutzklasse I betreffen. In diesem »zweiten« Leiter dürfen sich aber keine Überstrom-Schutzeinrichtungen oder Schalteinrichtungen befinden.

Fazit

Ich sehe es als unbedingt notwendig an, dass für diesen Fall die elektrische Anlage unverzüglich an neuere Normen angepasst wird. Ganz sicher wird es einen Elektroherd der Schutzklasse I geben, der nicht einfach außer Betrieb genommen werden kann. Sollte ein Gasherd vorhanden sein, dann wird das leitfähige Gasrohr ein Potential einführen können und somit die Raumverhältnisse nachteilig beeinflussen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf das Praxisproblem »Klassische Nullung im Anlagenbestand«, bearbeitet durch Herrn Reinhard Soboll, verweisen.

Werner Hörmann

PP24073


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